Schalten und Steuern mit Transistoren II:
Der Sättigungs- und der Miller-Effekt!

 


Einleitung

Ein Thema dieses Elektronik-Minikurses ist das praxisbezogene Erlernen von einfachen Transistorschaltungen mit bipolaren Transistoren (BJT) zum schnellen Schalten von Spannungen mit kleinen Strömen. Man kann universelle Transistoren einsetzen, die hauptsächlich für niederfrequente analoge Anwendungen (Verstärker, Filter) gedacht sind, sofern die niedrige Schaltgeschwindigkeit genügt. Was bei diesen NF-Transistoren täuscht, ist die oft hohe Transitfrequenz von mehr als 100 MHz. Man denkt da leicht, das sind ja weniger 10 ns und damit lässt sich leicht auch ein schnelles Ein- und Ausschalten von Spannungen realisieren. Aber ganz so einfach ist das nicht. Da muss man schon Transistoren suchen, welche Wertangaben in den Einschalt- (Turn-On-Time), Speicher- (Storage-Time) und Ausschaltzeiten (Turn-Off-Time) enthalten und diese Werte müssen, wenn notwendig, im 10ns-Bereich liegen.

Solche Transistoren gibt es, wie z.B. der bereits betagte 2N708, den man kaum noch bei den Elektronik-Distributoren bekommt. Seine Schaltzeiten sind mit 40 bis 75 ns auch nicht gerade umwerfend niedrig. Ich verwendete ihn hier und auch sonst häufig, weil noch viele von diesen 2N708 an Lager sind. Warum nicht, wenn die Daten genügen. Alternativ gibt es z.B. den wesentlich schnelleren und moderneren 2N2369 den es auch als PN2369 im preisgünstigen TO92-Plastikgehäuse und in der SMD-Ausführung gibt. Die Schaltzeiten liegen zwischen 12 bis 18 ns. Wie diese Schaltzeiten zu verstehen sind, liest man im Datenblatt. Eine weitere Alternative wäre der 2N3904. Allerdings ist dieser Typ mit maximal 50 ns etwas langsamer. Erhältlich sind diese BJTs, ausser PN2369, bei Farnell (Okt-2017).

Es gibt zwei Probleme mit denen man sich betreffs hoher Schaltgeschwindigkeit auseinandersetzen muss. Es ist der Sättigungseffekt, den es zu vermeiden gilt und es ist die Millerkapazität, die man kompensieren muss. Ob man überhaupt solche Transistorschaltungen einsetzen will, ist abhängig von der Anwendung. Gibt es eine solche Einheit nur einmal in einer Schaltung, kann sie sich eignen, sonst lohnt es sich nach passenden ICs Ausschau zu halten. Ein schneller Komparator kann durchaus zweckmässig sein oder eine passende Treiberschaltung, bei der es gleich mehrere Einheiten in einem Gehäuse gibt. Aber das ist hier nicht das Thema. Hier geht es um Grundlagen, die leicht in eine einfache Transistorschaltung umsetzbar sind.

Warum nennt sich die URL powsw2.htm? Diese Überlegung ist berechtigt, weil man erkennt keine PowerSwitch-Anwendung. Es geht zurück auf den ersten Elektronik-Minikurs dieser Art Schalten und Steuern mit Transistoren I. In diesem Elektronik-Minikurs geht es grundsätzlich um das Schalten mit Transistoren und dies teilweise auch mit dem Schalten grösserer Leistungen. Es kommen Darlingtonschaltungen zum Einsatz und Transistorschaltungen mit Relais. Da ich nicht ausschliesse, dass sich dieser Trend in diesem Elektronik-Minikurs fortsetzt, z.B. mit dem Einsatz von Power-MOSFETs, habe ich mich für die selbe URL-Bezeichnung entschieden.



Schneller Schalter mit NPN-Transistor

Testaufbau-Tipps: Dieses Kapitel vermittelt eine relativ einfache Methode, die es auch dem Elektronikbastler ermöglicht, einen schnellen elektronischen Schalter mit einem bipolaren Transistor (siehe oben) zu realisieren. Schnell bedeutet hier Flankensteilheiten im unteren 10ns-Bereich. Noch schneller heisst, dass es mit einfachen Versuchsaufbauten nicht mehr möglich ist, weil zu sehr störende Effekte wegen parasitären Induktivitäten und Kapazitäten auftreten. Aber auch schon bei den hier gezeigten Anwendung, sollte man von einem üblichen Steckboardaufbau absehen. Empfehlenswert sind Labor-Leiterplatten mit Lötinseln auf der einen Seite und einem GND-Plane auf der andern Seite. Eine solche Leiterplatte gibt es von VERO-Technologies. Man gibt bei Produktsuche/Teilenummer 03-2989 ein. Erhältlich ist dieses Produkt zur Zeit (Okt-2017) auch beim Elektronik-Distributor RS-Online. Auch hier im Suchfenster ebenfalls 03-2989 eingeben. Diese Leiterplatte hat Lötinseln statt parallele Leiterbahnen (die man unterbrechen kann). Mit Lötinseln (auch Lötaugen genannt) und Verdrahtung mit dünnen Drähten erzeugt man niedrigere parasitäre Kapazitäten. Für höherfrequente Schaltungen oder solche mit steilen Schaltflanken sind Lötinseln die bessere Wahl. Um eine einigermassen niedrige GND-Impedanz zu erreichen, kann man für den GND-Pfad mit Lot und Draht zwischen den Inseln breitere GND-Zeilen bilden.

Der Miller-Effekt: Teilbild 1.1 zeigt die einfache Schalterfunktion mit den parasitären Kapazitäten beim Transistor T. Da gibt es die Kapazitäten zwischen Basis und Emitter Cbe, zwischen Basis und Kollektor Cbc und zwischen Kollektor und Emitter Cce. Betrachten wir zunächst den Eingang zwischen Ue und der Basis von T1, so erkennen wir zwei passive Tiefpassfilter, nämlich gegeben durch Rb mit Cbe und Rb mit Cbc. Die Wirkung von Rb mit Cbe können wir aus zwei Gründen vernachlässigen. Erstens, Cbe reagiert mit Rb nur in dem Bereich, wenn noch kein Basisstrom fliesst. Fliesst ein Basisstrom, dann ist der differenzielle Widerstand zwischen Basis und Emitter in aller Regel sehr viel kleiner als der Basisvorwiderstand Rb. Wie auch immer, man kann Cbe vollständig vergessen, weil nämlich Cbc mit Rb einen besonders wirksamen Tiefpasseffekt aufweist. Cbc wirkt als so genannte Millerkapazität. Diese Kapazität Cbc wird um die Spannungsverstärkung minus 1 wegen dem Miller-Effekt verstärkt. Dieser Effekt kommt dadurch zustande, dass an Cbc die (1+|A|)-fache Eingangsspannung von Ue auftritt. |A| ist der Betrag der Spannungsverstärkung. Wenn diese Verstärkung wesentlich grösser ist als 1, überwiegt die Multiplikation aus Verstärkung und Cbc.

   Cm ~ |A| * Cbc    (Cm = Millerkapazität)

Mehr zu diesem Effekt liest man im Wikipedia: Miller-Effekt.

Normalerweise spricht man von Verstärkung, wenn der Transistor als Verstärker im Einsatz ist. Hier arbeitet er jedoch als Schalter. Trotzdem findet eine Verstärkung statt während der steigenden und der fallenden Flanke. Teilbild 1.2 illustriert dies. Die Spannung an Rc multipliziert dem "ominösen" Wert von 40 ergibt die Verstärkung. Bei der halben Betriebsspannung, in diesem Beispiel 2.5 V, beträgt die Verstärkung 100. Ist T beinahe im geschalteten LOW-Pegel, also bei Uce = 1V und U_Rc = 4 V, beträgt die Verstärkung 160. Weil dies so ist, kann ein nicht gegengekoppelter Transistorverstärker nur nichtlinear verstärken. Verstärkt man allerdings nur sehr kleine Spannungsänderungen, maximal im unteren mV-Bereich an Ue, hält sich die Verzerrung am Ausgang Ua in Grenzen. So realisiert man billige Mikrofonverstärker.

Wie es mathematisch zu dieser Zahl 40 kommt, zeigt ein Weblink von der Uni Kiel auf der Seite Schaltungen mit Transistoren mit der Formelbeschreibung zur Wechselspannungsverstärkung.

Massnahme gegen den Miller-Effekt: Teilbild 1.3 zeigt die einfache und wirksame Massnahme mit Cb parallel zu Rb. Es geht darum die Millerkapazität zu kompensieren. Wie aber berechnet man Cb? Im Prinzip in Verbindung mit der selben Formel (Cm~|A|*Cbc). Eine konkrete Formel für diesen Fall habe ich bisher nirgends gesehen. Und dazu kommt, auf praktisches Experimentieren kann man hier eh nicht verzichten. Man kann je nach Beschaltung von weniger als 10 pF bis einigen 100 pF ausgehen. Man muss es also mit einem Oszilloskopen ermitteln. Man erhöht Cb bis sich maximale Flankensteilheiten und gerade noch keine relevanten Überschwinger (Teilbild 1.3a) an den Flankenenden zeigen.

Der Nutzen des Miller-Effektes: Es gibt bekanntlich keine Nachteile ohne Vorteile. So auch hier. Man kann mit Hilfe des Miller-Effektes sehr langsam arbeitende Integratoren und Timer mit grossen Einschalt- oder Verzögerungszeiten in analoger Schaltungstechnik realisieren, weil man, entsprechend der Spannunsgverstärkung mit niedrigen Kapazitätswerten auskommt. Diese Verstärkung muss man allerdings mit einem Opamp exakt dimensionieren, um reproduzierbar akzeptable Werte zu erhalten. Timerschaltungen realisiert man schon lange besser digital, aber für Integratoren kann es durchaus Anwendungen geben, wo der Einsatz in analoger Form die richtige Wahl ist.

Der Sättigungseffekt: Der Miller-Effekt ist nicht das einzige Phänomen, der den Transistor langsamer macht als er sein könnte. Im Schaltbetrieb arbeitet der bipolare Transistor (BJT) mit einer wesentlich niedrigen Stromverstärkung als im analogen Betrieb, wenn Spannungen verstärkt werden. Dieser relativ hohe Basisstrom erzeugt in der Basis eine hohe Anreicherung von Ladungsträgern. Man bezweckt damit eine besonders niedrige Kollektor-Emitter-Spannung Uce. Beim Ausschalten des Basisstromes werden diese Ladungsträger, ohne Massnahmen, nur relativ langsam aus der Basis entfernt. Diese Massnahme kennen wir bereits. Es ist der Kondensator Cb parallel zu Rb in Teilbild 1.3. Cb unterstützt zwei Vorgänge: Cb sorgt für mehr Frequenz-Bandbreite und steilere Schaltflanken durch Kompensation des Miller-Effektes und Cb sorgt für das schnellere Ausräumen der Ladungsträger aus der Basis. Dazu lese man zunächst das Kapitel "Schneller Transistor-Schalter mit Diode" im ELKO-Grundlagenkurs zur Schaltungstechnik Transistor als Schalter von Patrick Schnabel.

Sättigungs- und Miller-Effekt: Teilbild 2.1 wiederholt als dimensioniertes Beispiel, diese Schaltung aus dem ELKO-Grundlagenkurs. Der verwendete schnelle Transistor in Bild 2 ist der 2N708 (T1). Anstelle des BAT85 verwende ich für D1 die BAT43-Schottky-Diode. Für steilflankige Schaltvorgänge ist es oft nötig einen etwas höheren Kollektorstrom als sonst üblich, wegen den parasitären Kapazäten,einzusetzen. Es kommt daher auch sehr darauf an, dass die parasitäre Kapazität (z.B. Leiterbahn) an Ua so niedrig wie möglich gehalten wird. D1 verhindert die Sättigung von T1. BAT85 oder BAT43 haben, weil Schottky, die fast gleiche Schwellenspannung. Bei einem Strom von 3 mA (Ie) sind es etwa 300 mV. Der LOW-Pegel an Ua (Uce von T1) ergibt sich aus der Basis-Emitter-Spannung von T1 minus der Spannung über der Schottky-Diode D1. Das sind etwa 0.5 V. Sperrt T1, fliesst kein Kollektorstrom. An Ua (Uce) liegt die Spannung von +Ub (+5 VDC). Der Ausgangswiderstand der Schaltung ist stark asymmetrisch. Bei LOW-Pegel ist er extrem niederohmig, weil T1 wie ein geschlossener Schalter wirkt. Bei HIGH-Pegel entspricht der Ausgangswiderstand dem Wert von R3.

Warum müssen es Schottky-Dioden sein? Etwa weil sie schneller sind als "normale" Silizium Dioden? Bei der vorliegenden Anwendung kann man dies verneinen, weil z.B. die vermutlich bekannteste Kleinsignal-Diode der Welt, die 1N914 (1N4148) eine gleich kurze Recovery-Time von etwa 4 ns hat, wie die hier genannten Schottky-Dioden BAT85 und BAT43. Der einzige Grund für den Einsatz von Schottky-Dioden ist der, dass die Schwellenspannung signifikant niedriger ist als die einer "normalen" Siliziumdiode. Diese hat den fast selben Spannungswert wie die Basis-Emitter-Spannung eines Silizium-Transistors.

Alle drei Schaltungen in Bild 2 arbeiten als schneller Spannungsinverter. Dimensioniert ist er für eine Eingangs-3V-Logik (R1 = 1k) oder Eingangs-5V-Logik (R1 = 1k8). Auch TTL-Spannungswerte sind deshalb möglich.

Teilbild 2.2 zeigt eine weitere Verbesserung zur Reduktion der Sättigung mit einem zusätzlichen Widerstand R2 im T1-Basiskreis. Dieser bewirkt eine etwas höhere Kollektor-Emitter-Spannung im LOW-Zustand. Diesem eventuellen Nachteil steht der Vorteil einer höheren Geschwindigkeit bzw. steileren Schaltflanken gegenüber (noch geringere Sättigung). Anstelle von R2 kann man antiparallel auch zwei Schottky-Dioden (D2 und D3) schalten. Diese haben die selbe Wirkung, wie R2 mit 270 Ohm. Der Vorteil des Widerstand R2 ist die leichte Justierbarkeit des Kompromisses zwischen Flankensteilheit und minimaler Ua (Uce) bei LOW-Pegel. Ein Trimmpot eignet sich wegen der zusätzlichen parasitären Kapazität und Induktivität eher nicht. Man muss es ausprobieren mit Fixwiderständen.

Teilbild 2.3 ging aus meiner Unterstützung an einem Projekt eines Kollegen hervor, der mit einem schnellen Schalter aus einem 3V-Logiksignal ein 5V-Logiksignal verstärken und schalten wollte. Teilbild 2.3 berücksichtigt zusätzlich die Kompensation des Miller-Effektes durch C1, wie bereits in Zusammenhang mit Bild 1 beschrieben. C1 ist während der sehr kurzen Dauer der Schaltflanke sehr niederohmig und dies setzt voraus, dass die Taktquelle TQ dazu passend niederohmig (Rq) sein muss. Man stelle sich vor, die steigende und die fallende Flanke folgen ununterbrochen aufeinander, dann ist es ein dreieckähnliches Signal mit einer Frequenz von 25 MHz (1/40 ns). Der kapazitive Widerstand (Kapazitanz) von C1 beträgt dann etwa 135 Ohm. Das ist ein kleiner Bruchteil von R1. Dieser doch recht grosse Unterschied erlaubt deshalb nur eine Frequenz bis knapp 10 MHz ohne signifikante Impulsverzerrung. So etwa kann man dies mit einem typischen Messplatz-Taktgenerator mit einem ebenso typischen 50-Ohm-Ausgang (Rq) feststellen. Nur ist das nicht der praktische Anwendungsfall. Realistisch ist es, dass man eine solche Schaltung, wie Teilbild 2.3 zeigt, zwischen zwei Schaltungen einsetzt und da ist es wichtig darauf zu achten, dass die Taktquelle, die an Ue angeschlossen ist, wirklich niederohmig genug ist.

Da es eine 3-Volt-Logikschaltung sein kann, betrachten wir als Beispiel im Datenblatt des 74LV00 die "DC ELECTRICAL CHARACTERISTICS". Man stellt fest, dass bei einer Betriebsspannung von 3.3 VDC und Ausgangsströmen von -6 mA und 6 mA die typische Spannungsreduktion am Ausgang (V_OH) und der typische Spannungsanstieg (V_OL) etwa 0.2 V bzw. 0.25 V beträgt. Daraus errechnet sich ein Quellwiderstand von 33 Ohm bzw. 42 Ohm. Die Schaltung in Teilbild 2.3 müsste also problemlos funktionieren. Andere 3-Volt-Logikschaltkreise sollten die selben oder bessere Ausgangswerte haben. Zur zusätzlichen Verbesserung ist es allerdings erlaubt, zwei oder auch mehrere Treiber oder Gatter von CMOS-Logik-ICs parallel zu schalten. Dies ist bei CMOS erlaubt, jedoch nicht bei Logikschaltkreisen mit bipolaren Ausgangstransistoren (BJT), wie dies bei (ALS-)TTL der Fall ist.



Das Schalten mit MOSFETs und der Miller-Effekt

Da wir es hier auch mit MOSFETs zu tun haben, stellt sich die Frage, ob es diesen Sättigungseffekt durch die Anreicherung von Ladungsträgern auch gibt. Nein, den gibt es nicht beim MOSFET. Beim MOSFET - oder generell bei FETs (z.B. J-FET) - muss die Gate-Source-Kapazität geladen werden, ehe der FET leiten und schalten kann.

Ein anderes Thema dieses Elektronik-Minikurses ist das praxisbezogene Erlernen einer einfachen Transistorschaltung zum Schalten mit MOSFETs unter der Berücksichtigung des Miller-Effektes. Auslöser zu diesem Miller-Effekt-Thema war eine Diskussion im ELKO-Forum mit dem Titel Schalten mit Mosfet - Lowseitig. Dieses Schaltbild ist ein Vorschlag von Offroad-GTI.

Es geht darum, dass die relativ hohen Kapazitäten zwischen Gate und Source und aber vor allem zwischen Drain und Gate, weil sich hier der Miller-Effekt auswirkt, im Schaltungsdesign berücksichtigt werden müssen. Dies ganz besonders bei Hochleistungs-MOSFET weil da diese Kapazitäten, teils im nF-Bereich, beträchtlich hoch sind. Wir wollen uns hier damit befassen, welche Folgen es haben kann, wenn man auch für nur langsame Schaltvorgänge, jedoch bei hohen Schaltströmen, das Gate zu hochohmig ansteuert. Dies zu thematisieren ist nicht unwichtig, weil man leicht auf die Idee kommt, wenn man eine Last nur wenige Male ein- und ausschaltet, reicht es hochohmig anzusteuern, weil der Gate-Source-Widerstand eh um viele Grössenordnungen grösser ist. Aber ganz so einfach ist es nicht. Anstoss zu diesem Thema gab xy mit folgendem Text zum Schaltbild (siehe Link oben): "Falls aber im laufenden Betrieb geschaltet werden soll, sind 100k-Ohm u.U. viel zu viel. Das Gate wird dann zu langsam entladen und der Miller-Effekt trägt seinen Teil bei, man gerät ruckzuck ausserhalb der SOA".

Mit Bild 3 folgt ein Experiment zur Sache des Miller-Effektes. Zunächst gibt Teilbild 3.1 ein Teil der Schaltung wieder, die hier (siehe rote Pfeile) zu sehen ist. In Teilbild 3.1 ist zusätzlich der Schalter S gezeichnet. Wird S geschlossen, erfolgt der Stromanstieg am Lastwiderstand RL wegen R7 mit nur 1 k-Ohm sehr schnell, weil die Gate-Source-Kapazität CGS und die Gate-Drain-Kapazität CGD (erzeugt die Millerkapazität) schnell geladen sind. Wird S geöffnet, erfolgt der Stromabfall am Lastwiderstand RL wegen R4 mit 100 k-Ohm sehr langsam, weil die Gate-Source-Kapazität CGS und die Gate-Drain-Kapazität CGD (-->Millerkapazität) langsam entladen werden, wobei die Verlangsamung stärker durch die Gate-Drain-Kapazität (-->Millerkapazität) als durch die Gate-Source-Kapazität verursacht wird. Genau genommen wird CGD nicht auf- und entladen, sondern umgeladen. Beim Umladevorgang wird die Polung gewechselt.

Für den Testzweck eignet sich ein mechanischer Schalter S nicht. Es empfiehlt sich ein Rechteckgenerator. Man könnte anstelle des mechanischen Schalters S einen Transistor einsetzen, jedoch geht es einfacher mit einer Diode, wie dies Teilbild 3.2a zeigt. Der Shuntwiderstand wir hier nicht benötigt.

Die steigende Flanke an Ue erzeugt eine etwa ebenso steile invertierte fallende Flanke an Uds (ds = Drain-Source), weil nur der niederohmige Widerstand R7 mit 1 k-Ohm wirkt. R4 mit 100 k-Ohm ist in diesem Moment durch die Diode D überbrückt. Genau genommen nicht ganz, weil sobald an D die Durchflussspannung von etwa 0.7 V (Silizium) unterschreitet, wirkt alleine R4 für noch kurze Zeit. Die nachfolgende fallende Flanke an Ue bewirkt an Uds eine deutlich weniger steile steigende Flanke. Die geringere Steilheit verursacht der höhere Entladungswiderstand, gegeben durch R4 und R7. Dabei wird CGS entladen und CGD umgeladen, wie bereits erklärt.

Die Anstiegszeit von Uds ist mit DEL (Delay) bezeichnet. Delay, weil durch die geringere Flankensteilheit die Maximalspannung von +10 V verzögert erreicht wird. Einfachheitshalber ist die steigende Uds-Flanke linear gezeichnet, was nicht zutrifft, aber hier keine Rolle spielt. Bei der vorliegenden dimensionierten Versuchsschaltung in Teilbild 3.2a beträgt der DEL-Wert 0.1 ms (gemessen). Der Gate-Source-Kapazität beträgt 1.2 nF (gemessen). Schaltet man parallel dazu eine Cx-Kapazität von 1 nF, ist das beinahe eine Kapazitätsverdopplung. Der DEL-Wert steigt aber nur um 50% auf 0.15 ms. Dies steht wohl in dem Zusammenhang, dass mit der dabei zunehmenden Drain-Sourcespannung alle Kapaziäten, nämlich zwischen Drain-Source, Gate-Drain und Gain-Source teils empfindlich abnehmen. Deutlich stärker wirkt sich Cx aus, wenn diese zusätzliche Kapazität zwischen Gate und Drain geschaltet ist. Da erhöht sich der DEL-Wert gleich um das Vierfache von 0.1 ms auf 0.4 ms. Der erwähnte Kapazitätsrückgang bei der ansteigenden Drain-Source-Spannung ist etwa gleich gross, aber da wirkt die Verstärkung der Cx-Kapaziät im Rückkopplungspfad, die man als den Miller-Effekt bezeichnet. Es empfiehlt sich dies nachzuvollziehen mit Hilfe des Datenblattes des Leistungs-MOSFET IRLZ34N. Es geht hier um Figure 5. Teilbild 3.2b ist selbsterklärend.

Safe-Operating-Area (SOA): Teilbild 4.1 ist die Wiederholung von Teilbild 3.1. In Teilbild 4.2 betrachten wir was leistungsmässig mit dem MOSFET passiert, während der langsamen Anstiegsflanke DEL (Ausschaltvorgang von der Last RL). Im noch eingeschalteten Zustand der Last, ist die Drain-Source-Strecke mit weniger als 40 m-Ohm extrem niederohmig. Die Verlustleistung ist praktisch gleich Null. Bei der halben Uds-Spannung (5 V) ist die Verlustleitung des MOSFET gleich gross wie die von der Last. Mit weiter ansteigender Uds-Spannung nimmt die MOSFET-Verlustleistung und die Leistung der Last weiter ab und erreicht den Nullwert bei Uds = 10 V. Die Spannungskurven sind idealisiert dargestellt.

Wir betrachten jetzt das SOA-Diagramm (Figure 8) im IRLZ34N-Datenblatt. Man erkennt sogleich, dass man mit diesem Experiment absolut sicher innerhalb der SOA-Grenze ist. Selbst dann wenn die ansteigende Flanke nicht 0.1 ms sondern 10ms aufweist, wäre eine Drain-Source-Spannung von 50 V zulässig. Eine Ansteuerung mit einem Gate-Vorwiderstand von 100 k-Ohm erlaubt z.B. eine Drain-Source-Spannung von maximal 30 V bei einem Strom maximal 30 A während einer Dauer von maximal 0.1 ms (Parameter). Bei so kleinen Strömen und Leistungen wie in diesem Experiment, darf man problemlos ein Kleinleistungs-MOSFET einsetzen. Da aber eine Last von 8 Ohm relativ niedrig ist, sollte man schon darauf achten, dass der RDSon-Wert mindestens im unterem 100-m-Ohm-Bereich liegt. Der berühmte BS170 käme jedenfalls nicht in Frage...



Ausräumen der Ladungsträger mit bipolarem Transistor (BJT)

Dieses neue Kapitel erweitert das Kapitel "Schneller Schalter mit NPN-Transistor". Es gibt bekanntlich zwei begrenzende Ursachen, die zur Reduktion der Schaltgeschwindigkeit führen, wenn der bipolare Transistor (BJT) zum Einsatz kommt. Es ist der Sättigungseffekt und der Miller-Effekt. Gegen den Miller-Effekt wirkt der Kondensator Cb parallel zum Basiswiderstand Rb in Teilbild 1.3. Bei einer BJT-Schaltung mit niedrigem Kollektorstrom beteiligt sich Cb auch beim Ausräumen der Ladungsträger aus der Basis. Beim Schalten von einem Kollektorstrom, bereits im 100mA-Bereich, ist dies jedoch nicht mehr der Fall, wie wir noch sehen werden.

Will man die Schaltgeschwindigkeit zusätzlich erhöhen, muss man den Sättigungseffekt reduzieren. Dies geschieht mit einer Schottky-Diode zwischen Basis und Kollektor. Nachteilig dabei ist die Erhöhung der Kollektor-Emitterspannung auf mindestens 0.5 V. Mit einer Verbesserung der Schaltgeschwindigkeit erhöht sich diese Spannung zusätzlich bis auf etwa 1 V. Wobei dieser Wert gilt für kleine Kollektorströme im mittleren 10-mA-Bereich bis maximal etwa 100 mA, je nach Transistor-Typ. Will man das Optimum erreichen mit Begrenzung der Sättigung und Kompensation des Miller-Effektes, kommt die Schaltung von Teilbild 2.3 zur Anwendung.

Es gibt noch eine ganz andere Methode um den Sättigungseffekt zu reduzieren oder besser erklärt, zeitlich zu verkürzen, wenn beim Ausschaltvorgang ein weiterer Transistor (BJT) hilft, die Ladungsträger möglichst rasch aus der Basis zu fegen, - etwas bildlich formuliert. Bild 5 zeigt eine Experimentierschaltung zum Schalten eines Kollektorstromes mit dem Allrunder-NPN-BJT BD239. Ob BD239, BD239A, BD239B oder BD239C spielt hier keine Rolle. Warum, erkennt man beim Studium des Datenblattes in Verbindung zur Anwendung hier.

Das folgende Bild mit dem bearbeiteten Figure 2 aus dem BD239-Datenblatt zeigt für die beiden Bilder 5 und 6, betreffs Kollektorstrom von 1 A und 200 mA (Parameter), die zugehörigen Basisströme von etwa 36 mA und 7.5 mA mit den resultierenden Kollektor-Emitter-Sättigungsspannungen von weniger als 0.2 V, bzw. weniger als 0.1 V. Diese Spannungswerte sieht man in den Teilbildern 5.1b, 5.2b (<0.2V) und Teilbildern 6.1, 6.2b (<0.1V).

Ab hier werden u.a. die Inhalte von Bild 5 und Bild 6 verglichen, daher empfiehlt es sich beide Bilder gemeinsam in einem Bild beobachten. Dazu einfach hier anklicken.

Teilbild 5.1a zeigt die Experimentierschaltung. Das bedeutet, sie ist ein Beispiel dafür wie sich die Spannungsflanken (Teilbild 5.1b) beim Ein- und Ausschalten eines Kollektorstromes von 1 A mit dem Kleinleistungs-Transistor BD239 verhalten. Man kann diese Experimentierschaltung für den persönlichen Bedarf passend anders dimensionieren, auch mit andern bipolaren Transistoren (BJT), Dioden, Kollektor- und Basiswiderstand, Betriebsspannung (+Ub), Impulsspannung (Ue), Impulsdauer und Impulsfrequenz.

Die kleinen Pfeile von der T1-Basis zum T2-Emitter und weiter vom T2-Kollektor nach GND, zeigen den Pfad der Ladungsträger, wenn Ue auf GND-Potential liegt.Es fliesst sehr kurzfristig ein T2-Basisstrom. Der Ausräumungseffekt der Ladungsträger ist sehr schnell, weil der Vorgang ebenso sehr niederohmig erfolgt. Im Betriebszustand (Ue = 5V) liegt zwischen Basis und Emitter von T1 (GND) die typische Spannung von etwa 0.8 V. Beim Ausschalten, Ue geht von 5V auf GND, liegt kurzzeitig diese Spannung von etwa 0.8 V zwischen Emitter und Basis von T2 in Serie mit R1. Dies hat zur Folge, dass kurzzeitig ein relativ grosser Strom von der T1-Basis via Emitter und Kollektor von T2 direkt nach GND fliesst. T2 muss dazu nur eine geringe Stromverstärkung aufbringen. Dies hat zur Folge, dass die Flankenzeit von Ua bei der Ausschaltung von T1 etwa gleich lang dauert wie Flankenzeit beim Einschalten (Teilbild 5.1b), - je etwa 1 µs.

Teilbild 5.1c: Das beinah selbe Resultat erzielt man, wenn man in den Basis-Pfad von T1 R1 mit 270 Ohm und parallel dazu ein Keramik-Kondensator (Kerko) von 27 nF schaltet. Störend dabei ist allerdings, dass beim Einschaltvorgang von T1 Ue zunächst auf etwa 3 V reduziert ist und während dem Ladevorgang von C (27 nF) auf 5 V ansteigt. Das ist nicht so linear wie es hier gezeichnet ist. Grund dafür ist der Quellwiderstand Rq des Generators von 50 Ohm, der oft bei solchen Geräten üblich ist. Man sieht mit diesem Beispiel eindeutig der Vorteil von der Schaltung in Teilbild 5.1a, weil T2 die Aufgabe von C in Teilbild 5.1c übernimmt und so die Signalquelle nicht unnötig belastet wird beim Ausräumen der Ladungsträger aus der T1-Basis.

Teilbild 5.2a zeigt die selbe Experimentierschaltung. Hier ist die Verbindung zwischen T2-Kollektor und GND getrennt. Die längere Ausschaltzeit von T1 mit etwa 3 µs statt etwa 1 µs, bei unbenutzt offenem T2-Kollektor, zeigt deutlich, wie sich der Ausräumprozess der Ladungsträger aus der T1-Basis, via Emitter-Basis-Diode von T2 und R1, verlangsamt. Das verhält sich ähnlich, wie wenn man zur Diode D mit umgekehrter Polung eine zweite Diode parallel schaltet. Diese würde auch gar kein Sinn machen, weil da kann man gerade so nur R1 direkt vor die Basis schalten, wie dies Teilbild 5.1c zeigt, wobei ohne C mit 27 nF die Schaltflanken von Ua deutlich zuwenig steil sind. Mit C ist dies nicht der Fall, jedoch mit dem weiter oben bereits beschriebenen Nachteil.

Nochmals Teilbild 5.2a: Beim Ausräumen der Ladungsträger von der T1-Basis via Emitter-Basis-Diode von T2 und R1 zum GND-Pegel von Ue, verlangsamt sich der Vorgang, desto niedriger die Basis-Emitter-Spannung von T1 (Emitter fix auf GND) wird. Wenn dieser Wert bei etwa 0.5 V oder 0.4 V liegt, fliesst so gut wie kein Strom mehr aus der T1-Basis. Allmählich so langsam wie wenn die T1-Basis offen ist. Auf diese Weise dauert es dann lange bis die Sperrzone von T1 wieder aufgebaut ist. Die Angelegenheit mit dem offenen T2-Kollektor hat keine praktische Bedeutung, es soll nur die Situation verdeutlichen und gleichzeitig zeigen, wie wirksam T2 arbeitet, wenn der Kollektor mit GND verbunden ist.

Darlington-Fehler (Teilbild 5.3): Man sieht gelegentlich Schaltungen mit einem diskret realisierten Darlington aus zwei Einzeltransistoren ohne den Widerstand zwischen Basis und Emitter von T2. Dieser Widerstand ist dann nicht zwingend nötig, wenn der Darlington stets unter Strom steht und sich dieser relativ langsam ändert. Reduziert sich der T1-Basisstrom jedoch schnell, kann es sein, dass die T2-Basis mit dem Ausräumen der Ladungsträger nicht folgen kann. Schlecht ist es dann, wenn der Darlington schnellen Schaltvorgängen genügen sollte. Das funktioniert dann einfach nicht mehr. Hier hilft dieser Widerstand. Zwischen Basis und Emitter von T1 braucht es nur dann ein Widerstand, wenn die T1-Basis elektronisch oder mechanisch unterbrochen wird. Diese Angelegenheit hier nur andeutungsweise erwähnt, weil es zum Thema gerade passt. Übrigens, bei integrierten Darlingtons haben oft beide Transistoren diese Widerstände mit integriert, den für den Transistor T2 ist in der Regel integriert, wie es dieser ELKO-Grundlagenkurs mit der Prinzip-Schaltung illustriert:

Teilbilder 6.1a und 6.2b zeigen die selben Schaltungen wie die in den Teilbildern 5.1a und 5.2b. Der gemeinsame Unterschied besteht nur darin, dass der Kollektorstrom von T1 (BD239) anstelle von 1 A nur 0.2 A und die Betriebsspannung +Ub +20 VDC statt +8 VDC beträgt. Dementsprechend niedriger ist der Basisstrom mit R1 von 470 Ohm statt 100 Ohm. Es interessiert uns wie sich das Öffnen der Verbindung des T2-Kollektor mit GND, die Ausschaltung des aktiven Ausräumeffektes, unterschiedlich auswirkt.

Während beim höheren Kollektorstrom von 1 A mit einer Stromverstärkung von etwa 28, die vollständige Sättigung von Ua < 0.2 V nur so lange andauert, wie Ue auf 5V liegt (Teilbild 5.1b), dauert bei einem Kollektorstrom von nur 0.2 A mit einer Stromverstärkung von etwa 27, die vollständige Sättigung von Ua < 0.1 V bis etwa 1 µs nachdem Ue wieder auf GND liegt (Teilbild 6.1b). Soviel zum Vergleich, wenn in beiden Schaltungen (Teilbilder 5.1a und 6.1a) der T2-Kollektor mit GND verbunden ist und so die Ausräumung der Basis-Ladungsträger aktiviert ist.

Wir vergleichen jetzt die beiden Teilbilder 5.2a und 5.2b mit den beiden Teilbildern 6.2a und 6.2b. Der aktive Ausräumeffekt ist ausgeschaltet durch die Trennung des T2-Kollektor vom GND. In den beiden Schaltungen 5.2a und 6.2a wirkt nur noch die reduzierte Ausräumung der T1-Basis-Ladungsträger durch die Emitter-Basis-Diode von T2 via R1 nach Ue, wenn Ue auf GND-Potential liegt. Teilbild 5.2b zeigt wie Teilbild 5.1b, dass die Sättigung nur solange andauert wie Ue auf 5 V liegt. Dies im Gegensatz zu Teilbild 6.2b, wo die vollständige Sättigung mit Ua < 0.1 V bis etwa 4 µs, nachdem Ue wieder auf GND liegt, dauert.

Danach steigt Ua relativ langsam an (Untersättigung) bis zu dem Moment wo Ue auf 5 V steil ansteigt und Ua wieder auf GND erneut in die Sättigung gelangt. Der kurzzeitige Ua-Spitzenwert liegt bei etwa 18 V. Dies ergibt sich aus der Schaltung 6.2a und der Periode der Ue-Rechteckspannung mit 12 µs, entsprechend einer Frequenz von 83.33 kHz. Periode und Frequenz sind nur ein Experimentier-Beispiel, man kann auch andere Werte wählen. Das muss man zwangsläufig, wenn die Schaltung andere Transistoren und Stromwerte aufweist.

Nochmals den Miller-Effekt: Dazu betrachten wir die Schaltung in Teilbild 6.1a mit dem Diagramm 6.1c. Das Einzige was der Kondensator C mit einer Kapazität von 1 nF bewirkt, ist die Reduktion der Flankenzeit der sinkenden Ua-Schaltflanke von etwa 1 µs auf etwa 50 ns. Auf den Ausräumeffekt hat C bei dieser niedrigen Kapazität keinen nennenswerten Einfluss.



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Thomas Schaerer, 16.12.2013 ; 25.05.2015 ; 09.10.2017