Simulieren und Experimentieren,
ein Vorwort von Jochen Zilg

 


Es ist wichtig, dass junge Menschen in "spielerischer Erfahrung" ihre Welt begreifen. Und ich meine "begreifen" wörtlich. Der Denkvorgang "was wäre wenn" und die schnelle Antwort durch das Experiment führt zu dem, was wir Fortschritt nennen. Die Simulation kann uns, wenn wir schon einen Weg gefunden haben, helfen, die letzten Feinheiten herauszuarbeiten. Die Erfindung als solche kommt sehr sehr selten aus dem Computer.

Unser Weltbild entstand doch durch scharfes Beobachten, Erstellen von Hypothesen, ergänzende Beobachtungen und Experimente. Wenn ein Schüler einer philosophischen Schule im antiken Griechenland sich Gedanken darüber machte, dass er irgendwann einmal den Stein nicht mehr kleiner kriegt (Atom), dann ist das für mich nicht Physik sondern Philosophie. Der Fortschritt kam erst durch die experimentelle Physik, Chemie, Medizin etc...

Wie sollen die Modelle für die Simulationsprogramme entstehen? Wie entsteht überhaupt ein Bedarf für ein solches Modell?

In den 33 Jahren meiner Tätigkeit als Ingenieur im Bereich der Satellitenkommunikation und Radartechnik habe ich immer sowohl simuliert als auch experimentiert.

Das Experiment führte immer zu dem schnelleren Ergebnis, und hatte den Vorteil, dass nicht mit idealen, sondern realen Komponenten gearbeitet wurde. Toleranzen, parasitäre Effekte etc. waren "schon drin". Nehmen wir einmal ein Beispiel aus der Leistungselektronik in der Hochfrequenztechnik. Die Transistormodelle sind in vielen Fällen erst Jahre nach der Markteinführung von den Herstellern zu Verfügung gestellt worden und hatten dann auch nur "informativen Charakter", also nicht wie eine Spezifikation, die Basis für eine Garantie ist.

Ich kann nur dringend davor warnen, sich dauerhaft auf solche Modelle zu verlassen. Begleitende Experimente sind unbedingt notwendig! Ich habe da schon Kathastrophen gesehen, die mir unvergessen geblieben sind. Zwei Jahre Arbeit sind in einem Beispiel wie ein Kartenhaus zusammengebrochen.

In meinem Ingenieurbüro hatte ich einmal einen Auftrag für einen komplexen Messempfänger im Mikrowellenbereich bekommen. Die Spezifikation war über diverse Simulationstools zusammengestellt worden. In fast allen Punkten war man bis an die physikalischen Grenzen gegangen, oft weit über den Stand der Technik hinaus. Gleichzeitig gab es offensichtliche Fehler im Konzept, die ein Funkamateur sofort erkannt hätte (Rauschzahl). Hier hatte man den Boden unter den Füssen verloren. Das Simulationstool war wohl nicht komplett (genutzt worden?). Der "Feedback" aus der "real world" kam erst nach Jahren!

Also kurz und klein: Nicht Experiment oder Simulation sondern beides und zwar gleichzeitig.

Jochen Zilg