Echter Differenzverstärker I

 


Einleitung

Was ist ein echter Differenzverstärker? Oder, da man annehmen muss, wenn es einen echten, logischerweise auch einen falschen geben muss: Was unterscheidet einen echten von einem unechten Differenzverstärker?

Einen unechten Differenzverstärker gibt es natürlich nicht. Ich selbst mache diese Unterscheidung, wenn ich einen sogenannnten Instrumentationsverstärker (Instrumentationamplifier) von einem einfachen Differenzverstäker, realisiert mit nur gerade einem einzigen Operationsverstärker (Opamp), unterscheide. Diese echten Differenzverstärker nannte man früher auch Elektrometersubtrahierer. Der Begriff kommt aus der Morgendämmerung der Elektrotechnik, als man Gleichspannungen (DC-Spannungen) mit eben diesen Elektrometern sehr hochohmig gemessen hat. Der sehr hohe Eingangswiderstand ist die besondere und wichtige Eigenschaft des echten Differenzverstärkers, eben des Instrumentationsverstärkers. Daher wurde früher die Bezeichnung Elektrometer übernommen. Die folgende einfache Skizze in Bild 1 zeigt wie ein Elektrometer funktioniert.

Das Elektrometer, auch Elektroskop genannt, besteht prinzipiell aus zwei sehr feinen Metallklingen, die in einem Glasbehälter eingeschlossen sind und elektrisch mit dem äusseren Umfeld in Verbindung stehen. Wird auf diesen Anschluss eine elektrische Spannung übertragen, so stossen sich diese beiden Metallklingen wegen Ladungsgleichheit auseinander. Der Winkel ist dabei sehr grob das Mass für die Spannung. Dies funktioniert allerdings nur bei hohen Spannungen, wie sie z.B. durch elektrostatische Ladungen, die bei Reibungseffekten an hochisolierenden Kunststoffen auftreten. Ob die aufgeprägtem Ladungen positiv oder negativ sind, spielt keine Rolle, weil die Metallklingen immer gleichpolig geladen werden. Die Spannung einer Taschenlampenbatterie erzeugt so wenig Ladungsträger auf die beiden Metallklingen, dass die elektrostatische Abstosskraft viel zu gering ist um die Klingen auseinander zu drücken. Doch nun verlassen wir die romantische Vorgeschichte des aufkeimenden Elektronikzeitalters und landen wieder in der Gegenwart, in der Realität der Instrumentationsverstärker.

Wer sich jedoch zusätzlich von der alten Elektrometertechnik faszinieren lassen möchte, empfehle ich den Link:



Unsicher im Sattel?

Wer Mühe hat diesem Elektronik-Minikurs zu folgen, empfehle ich zuerst die Anwendungs-Grundlagen über Operationsverstärker, die das ELKO von Patrick Schnabel bietet, weil der Operationsverstärker (Opamp) ist die Basis des Instrumentationsverstärkers. Für den Einstieg zusätzlich empfehlenswert sind meine folgenden vier Opamp-Elektronik-Minikurse:



Wozu überhaupt Instumentationsverstärker?

Bild 2 zeigt eine typische Anwendung aus der Elektromedizin. Maki, der kleine pfiffige Lemure aus Madagaskar stellt sich zur Verfügung. Man untersucht sein Herz und misst die elektrische Herzaktivität mittels Elektrokardiogramm (EKG). Später werden wir noch von einem andern bioelektrischen Signal, dem EMG-Signal, etwas lesen. In beiden Fällen wird ein empfindlicher Instrumentationsverstärker und natürlich die Elektroden benötigt. Die beiden kleineren Elektroden sind mit den Eingängen des Differenzverstärkers und die etwas grössere Referenzelektrode ist mit dem Bezugspotential, dem GND der Betriebsspannung des Verstärkers und mit der Abschirmung des Kabels, verbunden.

Da es in Madaskar feuchtheiss ist, liebt Maki viel Wärme und darum haben wir eine kräftige Infrarotlampe für ihn aufgestellt, welche am Lichtnetz mit 230 Volt Wechselspannung (AC-Spannung) betrieben wird. Das Netzkabel am Boden und die nicht geerdete kabelführende metallene Lampenstange erzeugt ein elektrisches 50-Hz-Wechselfeld in den umliegenden Raum. Dadurch entsteht an den beiden kleinen Mess-Elektroden gegenüber GND und Netzerde eine fast gleichgrosse Wechselspannung, bei einer solch niedrigen Frequenz auch Brummspannung genannt. Da diese beiden gleich grossen Spannungen an +INP und -INP sich subtrahieren, wirkt sie sich auf den Ausgang des Verstärkers kaum noch aus. Man nennt diese Spannung Gleichtaktspannung, auf englisch Common-Mode-Voltage. Die Fähigkeit diese Gleichtaktspannung zu unterdrücken nennt man Gleichttaktunterdrückung, auf englisch Common-Mode-Rejection (CMR). Das Mass, die Gleichtaktspannung zu undrücken, bezeichnet man Common-Mode-Rejection-Ratio (CMRR). Dieses Verhältnis wird in Dezibel (dB) angegeben.

Warum die Gleichtaktunterdrückung nicht in dem Ausmass erfolgt, wie es durch den (integrierten) Instrumentationsverstärker grundsätzlich möglich wäre, kommt von Nichtidealitäten durch Elektrodenplatzierung (Unterschiede in den Kontaktwiderständen) und unterschiedliche Längen der nichtabgeschirmten Leitungsteile, welche diese gleichtaktaktive Brummspannung geringfügig asymmetrisch macht. Sind die Elektroden auf der Haut weit von einander entfernt, kann es sein, dass das störende E-Feld bei der einen Elektrode stärker ist als bei der andern. Dies vor allem dann, wenn sich der Proband oder der Patient sehr nahe an der Störquelle befindet. Im vorliegenden Beispiel die Infrarot-Lampe. Wegen solcher Nichtidealitäten benötigt man in einem EKG- oder EMG-Messgerät oft noch ein nachgeschaltetes Bandsperrfilter (Notchfilter) pro Messkanal, das auf die 50-Hz-Netzfrequenz (in den USA 60 Hz) abgestimmt sein muss.

Der Dämpfung mit einzelnen Bandsperrfiltern sind allerdings Grenzen gesetzt. Sie sind in der Lage die Grundfrequenz (50 Hz) zu dämpfen, jedoch nicht die Frequenzen der Oberwellen. Diese treten heutzutage je länger je mehr in Erscheinung. Ein Hauptgrund ist die Verwendung von sehr vielen Schaltreglern zur Speisung von Elektronik, wie sie in Computern zur Anwendung kommen. Das stete Nachladen der Elkos, in den Gleichrichterschaltungen, in der Nähe des Sinusscheitelwertes, hat längst zu einer allgemeinen schrägen Abflachung des Sinusscheitelwertes in der 230-VAC-Netzspannung geführt. Man kann dies sehr leicht mit einem Oszilloskopen überprüfen und man stellt mit Erstaunen fest, dass dieser "Sinus-Dachschaden" oft gut sichtbar auffällt. Will man auch die daraus resultiernden Oberwellen unterdrücken, muss man ein Kammfilter einsetzen, das auch die Frequenzen der Oberwellen dämpft. Dies ist schaltungstechnisch sehr aufwändig. Wird das verstärkte und mit einem Bandsperrfilter gefilterte Signal mittels Computer verarbeitet, ist es mittels geeigneter Software einfacher zusätzliche störende Frequenzen, wie die der Oberwellen, herauszufiltern.

Wer sich für in SC-Filter-Technik ralisierte 50-Hz-Notchfilter interessiert, empfehle ich die folgenden beiden Elektronik-Minikurse:



Einfacher Differenzverstärker

Wir überlassen Maki seinem Doktor und kehren zur Elektronik zurück. Teilbild 3.1 zeigt uns einen einfachen Differenzverstärker mit einem einzigen Operationsverstärker. Diese Einfachheit verleiht dem Differenzverstärker allerdings auch seine Macken. Die beiden Eingangswiderstände zwischen Ue1 und GND und Ue2 und GND sind unterschiedlich, also asymmetrisch. Bei vorliegender Dimensionierung beträgt der Eingangswiderstand an Ue1 100 k-Ohm, während er an Ue2 300 k-Ohm beträgt.

Verändert man Ue1, verändert sich deswegen die Spannung u- am invertierenden Eingang nicht, weil diese stets identisch ist mit der Spannung u+ am nichtinvertierenden Eingang, weil im eingeschwungenen Zustand des Operationsverstärkers die Spannung am invertierenden Eingang immer der dem nichtinvertierenden Eingang entspricht. Man bezeichnet die Spannung am invertierenden Eingang auch als virtuelle Spannung. Diese virtuelle Spannung wird zum virtuellen GND, wenn der nichtinvertierende Eingang mit dem GND-Pegel verbunden ist. In Operationsverstärker I wird die virtuelle Spannung, bzw. der virtuelle GND, besonders thematisiert. Bei einer Änderung von Ue1 verhält sich der Eingangswiderstand genau so, wie wenn das andere Ende von R1, anstelle mit dem invertierenden Eingang, fest mit GND oder fest mit einer niederohmigen Spannungsquelle verbunden ist. Es leuchtet daher ein, dass der Eingangswiderstand an Ue1 dem Wert von R1, hier 100 k-Ohm, entspricht.

Dieser niederohmige Zustand des invertierenden Eingangs kommt durch die Gegenkopplung des R2/R1-Netzwerkes und der hohen Leerlaufverstärkung (Open-Loop-Gain) des Operationsverstärkers zustande. Die Spannung u1 über R2 passt sich stets so an, dass die Spannung u- der Spannung u+ entspricht. Das hat natürlich seine Grenzen. Wenn R2 zu niederohmig und die Spannung u1 zu gross ist, wird der Operationsverstärker am Ausgang überlastet. Die Amplituden an Ua werden begrenzt und die Schaltung arbeitet nicht mehr richtig. u- ist nicht mehr mit u+ identisch. Ebenso sind Grenzen gesetzt bei der Verstärkung und der Signalfrequenz. Wenn R2 (R2') sehr viel grösser ist als R1 (R1'), das die gegengekoppelte Verstärkung (Closed-Loop-Gain) ausmacht, und die Frequenz des Signals auch sehr hoch ist, kann die Bedingung u- = u+ ebenso nicht mehr eingehalten werden. Dadurch leidet die virtuelle Spannung u- am invertierenden Eingang. Will man sich mit dieser Thematik tiefer auseinandersetzen, muss man sich mit der sogenannten Unitygain-Bandbreite (Frequenzbandbreite bei einer Verstärkung von 1) und der Slewrate (Steilheit des Ausgangssignales) von Operationsverstärkern auseindersetzen. Solches erfährt man in Datenblättern und in entsprechend tiefergehender Literatur, wie z.B. im Buch Halbleiter-Schaltungstechnik" von U.Tietze und Ch. Schenk.

Wir kommen jetzt zu Ue2. Verändert man diese nichtinvertierende Eingangsspannung, so verändert sich im Verhältnis des Spannungsteilers R2'/(R2'+R1') auch die Spannung u+ am nichtinvertierenden Eingang des Operationsverstärker, weil dieser sehr hochohmig ist. Diese Hochohmigkeit liegt einerseits daran, dass ein moderner Operationsverstärker hochohmige Eingänge besitzt und anderseits daran, dass im eingeschwungenen Zustand des Operationsverstärkers, keine Differenzspannung zwischen u+ und u- vorliegt. Die Eingangsimpedanz von Ue2 entspricht daher der Summe von R1' und R2' und das ist hier ein Wert von 300 k-Ohm. Wegen dieser Asymmetrie der Eingangswiderstände von Ue1 und Ue2 eignet sich ein einfacher Differenzverstärker nur für niederohmige Spannungsquellen, damit eine Fehlverstärkung noch toleriert werden kann. Diese ganze Betrachtung ist allerdings nur korrekt, wenn am differenziellen Eingang des Operationsverstärkers ein Gegentaktsignal vorliegt, wobei Gegentakt gilt auch dann, wenn eine Eingangsspannung fix und die andere variabel ist.

Teilbild 3.2 zeigt mit einem Zahlenbeispiel die Gleichtaktsituation. An Ue1 und Ue2 liegen exakt +3 V. Wegen der Spannungsteilung von R1' und R2' liegt am nichtinvertierenden Eingang des Operationsverstärkers eine Spannung von +2 V. Die selbe Spannung liegt im eingeschwungenen Zustand des Operationsverstärker an seinem invertierenden Eingang, weil die Differenzspannung 0 V sein muss. Daraus resultiert, dass über R1 sowie über R1' eine Spannung von 1 V liegt. Für die invertierende Verstärkung gilt die Formel R2/R1. Da R2 doppelt so gross wie R1 ist, ist über R2 auch die Spannung doppelt so hoch wie über R1. Daraus resultiert über R2 eine Spannung von 2 V und die ist gleich gross wie die über R2'. Dies hat zur Folge, dass an Ua eine Spannung von 0 V anliegt. Die Gleichtaktunterdrückung erfüllt sich. Nun erkennt man, dass an R1/R2 und R1'/R2' exakt die selben Spannungsverhältnisse liegen und beide Widerstandsteiler mit 0 V (GND) referenziert sind. Bei diesem Zustand addieren sich R1 und R2 als auch R1' und R2' zu gleich grossen Eingangswiderständen an Ue1 und Ue2.

Wenn diese Erklärung noch nicht ganz einleuchtet, stelle man sich bitte vor, wenn man Ue1=Ue2 verändert, ändert sich ebenso die selbe Spannung an den beiden Eingängen des Operationsverstärkers. Es ist, als ob der Operationsverstärker gar nicht im Einsatz wäre und der Anschluss Ua mit GND verbunden ist. u+ und u- sind im Gleichtakt synchron variabel!

Kompliziert wird die Sache mit dem Eingangswiderstand an Ue1, wenn sich die Spannungen an Ue1 und Ue2 unterschiedlich verhalten, also ungleiche Signale sind. Es können sich dann Zeitabschnitte von Gleichtakt und Gegentakt abwechseln und damit ändert sich ständig der Eingangswiderstand an Ue1. In einem solchen Fall ist es sinnvoll, die Schaltung so zu realisieren, dass man sich nicht den Launen des Eingangswiderstandes an Ue1 aussetzen muss. Damit sind wir wieder beim Thema Instrumentationsverstärker.



Das Einschwingverhalten

Beim Einschwingverhalten geht es darum, dass ein Operationsverstärker niemals gleich schnell reagieren kann, wenn sich das Eingangssignal sprunghaft in sehr kurzer Zeit ändert. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist einerseits von der Unitygain-Frequenzbandbreite bei kleineren und anderseits zusätzlich von der Slewrate bei grösseren Ausgangsspannungen abhängig. Das Einschwingverhalten von Operationsverstärkern wird in Operationsverstärker III thematisiert.



Der "echte" Differenzverstärker oder der Instrumentationsverstärker

Wir kommen jetzt zum eigentlichen Thema dieses Elektronik-Minikurses. Es geht um den Instrumentationsverstärker, der sich dadurch auszeichnet, dass die Eingangswiderstände am invertierenden und nichtinvertierenden Eingang praktisch unendlich hoch sind. Das heisst, dass diese Werte nur parasitärer Natur und nicht durch eine Beschaltung mit Widerständen bedingt sind. Eine solche Schaltung zeigt Bild 4:

Eine wesentlich bessere Gleichtaktunterdrückung lässt sich erzielen, wenn die oft hohe Spannungsverstärkung in die ersten beiden Operationsverstärker IC:A1,A2 verlagert wird und die Differenzverstärkerstufe IC:A3 eine nur niedrige Verstärkung, von z.B. 1, enthält. Diese Schaltung hat den zusätzlichen Vorteil, dass man durch Variation eines einzigen Widerstandes, nämlich R1, die Differenzverstärkung einstellen kann. Die verstärkte Differenzspannung zwischen den Ausgängen von IC:A1 und IC:A2 wird mit Hilfe des Differenzverstärkers IC:A3 auf den asymmetrischen Ausgang Ua übertragen, der auf GND bezogen ist.

Bei einer reinen Gleichtaktspannung - also beide Spannungswerte von Ue1 und Ue2 sind gleich gross und sie haben die selbe Polarität - hat die Eingangsstufe IC:A1,A2 nur die Verstärkung 1, gleichgültig ob sie mit noch so hoher Differenzverstärkung dimensioniert ist. Wie ist das möglich? Ganz einfach, man stelle sich vor, beide Eingänge sind miteinander verbunden und man legt eine Spannung von z.B. 1 V an. Beide Operationsverstärker erzeugen an den invertierenden Eingängen exakt die selbe Spannung von 1 V, weil im eingeschwungenen Zustand die Differenzspannung der Eingänge bei jedem der beiden Operationsverstärker 0 V sein muss. Dies bedeutet aber, dass durch R1 kein Strom fliessen kann. Es kommt in diesem Fall also auf das selbe heraus, als ob R1 gar nicht existiert. Jeder der beiden Operationsverstärker arbeitet in diesem Fall als reiner Impedanzwandler. Das ist eine Schaltung, bei der der Ausgang des Operationsverstärkers direkt mit seinem invertierenden Eingang verbunden ist. Diese Eigenschaft macht den Instrumentationsverstärker besonders interessant zur Unterdrückung von Gleichtaktsignalen und darum ist es vorteilhaft, wenn die höhere Verstärkung von der Eingangsstufe IC:A1/A2 und nicht von IC:A3 bewältigt wird.



Wichtige Erweiterung

Damit dieses Thema noch besser verstanden werden, gibt es eine Erweiterung mit dem Kapitel "Instrumentationsverstärker zerlegen und verstehen" in folgendem Link:

Das Kapitel "Erste Stufe stärker als die zweite" erklärt im folgenden Minikurs ausführlich warum es Sinn macht, dass die erste Stufe am meisten verstärkt. In diesem Zusammenhang wird besonders die Gleichtakteigenschaft thematisiert.



Der Präzisions-Instrumentationsverstärker

Um es gleich vorwegzunehmen, es gibt schon sehr lange integrierte Instrumentationsverstärker mit hoher Eingangsimpedanz, hohe Gleichtaktunterdrückung durch lasergetrimmte Widerstände, grosse Frequenzbandbreite, niedrigem Rauschen und geringer DC-Offsetspannung. Ein begehrtes Bauteil ist der INA111 von Burr-Brown.

Ich erwähne dies um darauf hinzuweisen, dass der hier erlernte Stoff nicht unbedingt nachgebaut werden muss. Es geht hier ganz einfach darum zu lernen, wie ein Instrumentationsverstärker funktioniert und auf was es ankommt, wenn Präzision gefordert ist. Trotz den intergrierten Instrumentationsverstärkern gibt es gute Gründe einen solchen quasidiskret mit drei einzelnen Operationsverstärkern (in einem IC, z.B. Quad-Opamp wie TL074) selbst aufzubauen. Es kann der Preis oder der Grund kann auch sein, dass man die notwendigen technischen Parameter selbst dimensionieren will, weil man das passende Bauteil nicht findet. Auch die Langzeitverfügbarkeit könnte mit ein Grund sein, selbst die Schaltung zu realisieren. Eine solche Schaltung sehen wir in Bild 5:

Präzise Gleichtaktunterdrückung, statisch

Bild 5 erweitert Bild 4 u.a. mit einem präzisen Ableich der Gleichtaktunterdrückung. Das Mass dieser Unterdrückung ist davon abhängig, wie genau die vier gleich grossen R3-Widerstände aufeinander abgestimmt und natürlich wie gleich die beiden Eingangssignale Ue1 und Ue2 in Spannung und Phase sind. Ist die externe Signalquelle sehr hochohmig (z.B. elektromedizinische Messung wie EMG oder EKG), kommt hier der extrem hohe und symmetrische Eingangswiderstand, ohne Re im Einsatz, zugute. Ohne Re ist dieser besonders bei der Verwendung von BiFET- oder CMOS-Operationsverstärkern extrem hoch, weit im G-Ohm-, ja sogar im T-Ohm-Bereich. Man darf allerdings die Realität nicht unterschätzen, dass eine Verschmutzung der Printplatine, derart hochohmige Eingangswiderstände drastisch reduzieren kann. Re, gestrichelt angedeutet, kann man beliebig wählen, falls überhaupt nötig oder erwünscht. Re reduziert die Eingangswiderstände an Ue1 und Ue2, definiert dafür die Arbeitspunkte von IC:A1 und IC:A2 auf GND-Potential, falls gerade keine externe Quelle angeschlossen ist. Falls die externe Quelle mit AC-Kopplung (Kondensator in Serie zu Ue1 und Ue2) erfolgt, sind die beiden Re-Widerstände zur Definition des GND-Arbeitspunktes unbedingt notwendig. Diese Re-Widerstände dürfen bei bei JFET- und besonders bei MOSFET-Eingangsstufen des Instrumentationsverstärkers sehr hochohmig sein. 100-M-Ohm oder mehr sind dabei durchaus legitim.

Benutzt man in einer Schaltung die R3-Widerstände mit einer Genauigkeit von 1%, kann im schlimmsten Fall das Ungleichgewicht des R3-Widerstandsnetzwerkes 4% betragen, was sich entsprechend ungünstig auf die Gleichtaktunterdrückung auswirkt. Die Reproduzierbarkeit ist schlecht. Nun kann man wählen entweder teurere 0.1%-Widerstände einzusetzen oder man benutzt 1%-Widerstände und eines der R3-Widerstände wird aufgeteilt in Widerstand und Trimmpotmeter. Beide sind in Serie geschaltet. Die Werte des Widerstandes und des Trimmpotmeter müssen so dimensioniert werden, dass mit dem Trimmpotmeter ein Bereich von mindestens 4% Toleranz abgestimmt werden kann, falls man 1%-Widerstände verwendet. Es empfiehlt sich ein 10-Gang-Cermet-Trimmpotmeter zu verwenden und für die Widerstände sind Metallfilmtypen wegen dem geringen Temperaturkoeffizienten ein absolutes Muss. Diese sind heute kaum noch teurer als Kohleschichtwiderstände.

Bild 6 zeigt eine alternative Methode, wenn man aus Platzgründen auf ein Trimmpotmeter verzichten will. Man baut fixe R3-Widerstände mit einer Toleranz von 1% ein und man misst die Gleichtaktunterdrückung. Danach schaltet man eine sogenannte Widerstandsdekade zu einem der beiden R3-Widerstände parallel, welche mit dem nichtinvertierenden Eingang von IC:A3 verbunden ist. Man muss an der Widerstandsdekade einen Wert einstellen der mindestens 100 mal grösser als R3 ist. Wenn R3 = 10 k-Ohm, stellt man die R-Dekade vorzugsweise gleich auf den höchsten Wert, der meist bei 10 M-Ohm liegt, ein. Nun schaltet man den Wert in kleinen Schritten herunter. Beobachtet man dabei, dass die Gleichtaktunterdrückung schlechter wird, bedeutet dies, dass man das bereits vorhandene R3-Ungleichgewicht noch vergrössert. Die Widerstandsdekade ist somit am falschen R3 parallelgeschaltet. Man wechselt die R-Dekade zum andern R3-Widerstand der ebenso am nichtinvertierenden Eingang liegt. Nun beginnt man mit der R-Dekade von Neuem beim maximalen Wert und reduziert sukzessive in kleinen Schritten bis die beste Gleichtaktunterdrückung erreicht ist. Damit ist ein optimales R3-Gleichgewicht eingestellt. Reduziert man dann weiter, verschlechtert sich das R3-Gleichgewicht erneut. Den so erreichten optimalen Parallelwiderstandswert liest man von der Widerstandsdekade ab und man lötet einen 1%-Widerstand, der diesem Wert am nächsten kommt, parallel zu R3 ein. In einem integrierten Differenzverstärker tut man etwas Ähnliches: Man stimmt die IC-internen Widerstände mit einem Laser hochgenau ab.

Warum benutze ich zum Abgleich nur die R3-Widerstände beim nichtinvertierenden Eingang von IC:A3? Man könnte natürlich ebenso die gegenüberliegenden R3-Widerstände zum Abgleichen benutzen, wenn da nicht die Praxis ein Strich durch die Rechnung macht. Dies würde nämlich bedeuten, dass ein Draht zur R-Dekade am invertierenden Eingang von IC:A3 angeschlossen werden müsste. Dieser Eingang ist aber hochsensitiv, weil er schliesslich virtuell der Spannung des nichtinvertierenden Einganges entsprechen muss. Die geringste Störspannung auf diesem neuralgischen Punkt verstärkt sich erheblich auf den Ausgang. Dies würde eine Abstimmung mit einer Widerstandsdekade problematisch machen. Die Schaltung kann so auch leicht zum Oszillieren angeregt werden. Zu erwähnen ist noch, dass man diese Art der Abstimmung mit einer Widerstandsdekade nur bei niedrigen Frequenzen, maximal im kHz-Bereich, durchführen sollte, weil die Widerstandsdekade auf jeden Fall ein parasitär-kapazitiver Störfaktor ist.

Der weitere Inhalt bezieht sich noch immer auf Bild 5. Dehalb folgt hier noch einmal Bild 5:

Präzise Gleichtaktunterdrückung, dynamisch

Eine Printplatine besteht bekanntlich aus Leiterbahnen und diese haben ebenso bekanntlich gegenüber andern Leiterbahnen elektrische Kapazitäten. Man nennt diese Kapazitäten auch parasitär, weil sie unerwünscht, und wie Parasiten, lästig sind. Diese parasitären Kapazitäten sind sogar so lästig, dass man sie nicht einmal beseitigen kann. Durch intelligente Auslegung des Printlayouts, kann man allerdings dazu beitragen, dass an empfindlichen Stellen solche Kapazitäten möglichst gering sind. Der Rest der bleibt, muss man kompensieren und dies geschieht hier durch den Trimmkondensator C1. Weil die parasitären Kapazitäten bei den beiden R3-Widerstandsnetzwerken um den invertierenden und nichtinvertierenden Eingang von IC:A3 unterschiedlich sind, kann man dieses Ungleichgewicht mit der Abstimmung von C1 kompensieren. Dadurch erreicht man, dass der Instrumentationsverstärker auch bei höheren Frequenzen eine brauchbare Gleichtaktunterdrückung hat, sofern man mit der höheren Frequenz die Frequenzandbreite und/oder die Slewrate der einzelnen Operationsverstärker noch nicht ausreizt. Die Kapazität des Trimmkondensators liegt im Bereich einiger zehn bis hundert Picofarad. Dies ist stark abhängig von den R3-Widerstandswerten. Bevor man so etwas ultimativ dimensioniert, sollte man sowieso zuerst mit einer Prototypenschaltung auf einem Printlayout experimentieren. Wilde Verdrahtungen, Fädeltechnik o.ä. haben hier nichts verloren!


Präziser DC-Offsetpannungsabgleich

Die DC-Offsetspannung kann je nach Verstärkung von IC:A1,A2 recht gross sein, wenn keine Operationsverstärker mit besonders niedriger DC-Offsetspannung eingesetzt werden. Die äquivalenten Eingangs-DC-Offsetspannungen haben bei Allerweltoperationsverstärkern leicht Werte von 5 mV oder mehr. Bei einer Verstärkung von 100 verstärkt sich dies bereits auf 500 mV. Dieser Wert entscheidet, wie man das DC-Offsetkompensationsnetzwerk R4 bis R6 dimensionieren muss. Muss eine mögliche DC-Offsetspannung von 500 mV abgeglichen werden, dann müssen R4 und R5 so dimensioniert werden, dass +Uo = +500mV und -Uo = -500mV oder etwas mehr haben. Der Wert des Trimmpotmeters R6 ist unkritisch. Es empfiehlt sich ein 10-Gang-Trimmpotmeter. C2 unterdrückt allfällige Störsignale von der Speisung und das Rauschen des DC-Offsetkompensationsnetzwerkes R4 bis R6.

Allerdings hat diese DC-Offsetkompensationsmethode auch ihre Grenzen! Wenn die Verstärkung der Vorstufe IC:A1,A2 sehr hoch ist und diese Operationsverstärker relativ hohe äquivalente Eingangs-DC-Offsetspannungswerte haben, kann die DC-Offsetspannung an den Ausgängen von IC:A1 und/oder IC:A2 im Voltbereich liegen. Man kann mit R6, bei richtiger Dimensionierung von R4 und R5, zwar durchaus die DC-Offsetspannung an Ua kompensieren, aber die maximale Aussteuerung der Amplitude ist um den Betrag der Ausgangs-DC-Offsetspannung der Vorstufe asymmetrisch. Einzige vernünftige Abhilfe: Operationsverstärker mit geringeren DC-Offsetwerten verwenden. Das selbe Problem besteht auch dann, wenn die differenzielle Eingangsspannung mit zu hoher DC-Offsetspannung überlagert ist.



Instrumentationsverstärker nur für Wechselspannungen

Bild 7 zeigt uns die Möglichkeit mit Hilfe eines Instrumentationsverstärkers nur Wechselspannungen oberhalb einer definierten unteren Grenzfrequenz fmin zu verstärken. Dies erreicht man dadurch, dass man zu R1 C1 in Serie schaltet. Dies ergibt ein passives Hochpassfilter erster Ordnung. Durch die Gegenkopplung der beiden Operationsverstärker IC:A1,A2 werden an den invertierenden Eingängen die Spannungswerte von Ue1 und Ue2 aufgezwungen. Man sagt auch, dass die Spannungen an den invertierenden Eingängen virtuell den Spannungen an den nichtinvertierenden Eingängen entsprechen. Sind diese nichtinvertierenden Eingänge mit GND verbunden, dann haben die invertierenden Eingänge einen virtuellen GND-Status. Wenn man es genau nimmt, allerdings mit geringen Abweichungen, weil die offene Schlaufenverstärkung endlich und von der Frequenz abhängig ist.

Weil wir es hier mit Frequenzen unterhalb der bereits erwähnten kritischen Grenzen zu tun haben, gilt, dass der Eingangswiderstand an den invertierenden Eingängen im Vergleich zu R1 vernachlässigbar gering, also praktisch Null ist. Daher genügt es für die Berechnung der Grenzfrequenz des passiven Hochpassfilters erster Ordnung, bestehend aus R1 und C1, alleine mit diesen beiden Werten zu rechnen. Die einfache Berechnungformel steht in Bild 7. Diese Grenzfrequenz ist auch die der gesamten Verstärkerschaltung, definiert mit der relativen Dämpfung von -3 dB.

Da die erste Stufe, bestehend aus IC:A1,A2, meist mit einer hohen Verstärkung dimensioniert ist, erzeugt sie ohne dieses Hochpassfilter den Löwenanteil an DC-Offsetspannung. Mit C1 erreicht man, dass die beiden Operationsverstärker IC:A1 und IC:A2 Gleichspannungen nur noch mit Verstärkung 1 verstärken. So natürlich auch die äquivalente Eingangs-DC-Offsetspannung. IC:A3 subtrahiert diese Spannungswerte.

Das R1C1-Hochpassfilter hat aber noch den weiteren Vorteil, dass störende Gleichspannungsanteile von Signalquellen, bei denen man nur an der Wechselspannung interessiert ist, unterdrückt werden. Praktisch kommt dies bei der Messung von bioelektrischen Signalen zur Anwendung. Bild 8 illustriert dies am Beispiel der Messung von elektromyographischen Signalen (EMG):

Dabei verbindet man Oberflächenelektroden aus gleichem Metall mit elektrisch leitender Paste mit der Hautoberfläche. Durch den Ionenaustausch an der Grenzzone zwischen Elektrodenmetall und Zellgewebe entsteht eine elektrochemische Spannung, die leicht den Wert bis 1 V haben kann. Diese Quasi-Gleichspannung wird allerdings mit der zweiten Elektrode kompensiert (U1 - U2), da sie aus dem selben Metall besteht. Das ist wie wenn man zwei Batterien gleichpolig in Serie schaltet, wie Bild 8 ebenfalls zeigt. Trotzdem gibt es geringfügige Unterschiede im 10mV-Bereich. Die EMG-Wechselspannungssignale, mit Oberflächenelektroden gemessen bei einigen 100 Hz bis etwa 1 kHz, sind jedoch etwa 100 mal und mehr kleiner. Hätte der Instrumentationsverstärker kein R1C1-Hochpassfilter (Bild 7), würde die elektrochemische Differenzgleichspannung und die hohe Verstärkung den Verstärker in die Sättigung treiben und es gäbe kein Signal am Ausgang.

Hautoberfächenelektroden werden mit Klebeband starr fixiert. Dadurch erreicht man, dass die elektrochemische Differenzspannung aller Elektroden einigermassen konstant bleibt. Sie ändern sich nur sehr langsam. Man nennt solche Gleichspannungen auch quasistationär. Dies ist allerdings nicht der Fall wenn EMG-Messungen intramuskulär mit Nadel- oder ganz feinen Drahtelektroden durchgeführt werden. Diese invasive Anwendung darf natürlich nur durch einen Arzt eingeleitet werden! Der Patient bewegt bewusst und unbewusst die Muskeln welche mit diesen Elektroden kontaktiert sind. Dadurch ändert sich auch immer leicht der Ionenfluss an den Übergängen Elektrode/Muskelgewebe. Dies führt zu grösseren und schnelleren Gleichspannungsschwankungen. Ein einfaches RC-Tiefpassfilter reicht da bloss noch aus, dass der Instrumentationsverstärker sicher nicht in die Sättigung getrieben wird. Die Gleichspannungsschwankungen wirken sich dennoch störend auf das Messsignal aus. Abhilfe schafft man hier mit einem aktiven Hochpassfilter höherer Ordnung, das auf den Ausgang des Instrumentationsverstärker folgt.

Die elektrochemische Spannung U3 an der Referenzelektrode wirkt sich gleichermassen auf beide Messelektroden aus (Gleichtaktwirkung). Es spielt auch keine Rolle welche Polarität U3 hat. U3 hebt sich auf. Übrig bleibt einzig die Differenzgleichspannung Ud = U1 - U2.

R1, R2 und R3 symbolisieren die elektrischen Widerstände der Elektrodenkontakte und des Zellgewebes zwischen den beiden Messelektroden und zwischen diesen und der Referenzelektrode.



Interesse am Grenzbereich Medizin/Elektronik ?

Wie EMG-Signale biologisch entstehen, was man mit EMG-Messung und EMG-Biofeedback bezweckt, etwas über Haut-Oberflächenelektroden und über invasive Elektroden für intramuskuläre EMG-Messung, mit Blockschaltbildern zu Biofeedback und zu Messungen für Forschungszwecke, gibt es einen speziellen Elektronik-Minikurs, angereichert mit vielen Links am Schluss zum selben Thema:



Fortsetzung

Dieser Elektronik-Minikurs ist in einem zweiten Teil fortgesetzt. Es geht dabei zur Hauptsache um die Referenzierung des zu messenden Signales und um die Referenzierung des R3-Widerstandes der in Bild 7 direkt mit GND verbunden ist und in Bild 5 mit einem aktiven DC-Offsetkompensationsnetzwerk (R4, R5, R6 und IC:A4) angesteuert wird. Man liest diese Erweiterung in:



Thomas Schaerer, ??.06.2000 ; 20.05.2001 ; 25.02.2002 ; 25.06.2002 ; 14.03.2003(dasELKO) ; 21.12.2003 ; 04.12.2004 ; 01.11.2005 ; 23.02.2006 ; 25.12.2010 ; 20.02.2014