Problemfall: Elektronik in der Schule und Ausbildung

Im ELKO Newsletter 13/2007 vom 27.06.2007 habe ich meine Beobachtungen über Schule und Ausbildung im Zusammenhang mit elektrotechnischen Inhalten geäußert:

In den letzten Wochen, eigentlich Monaten, konnte ich im Diskussionsforum äußerst bedenkliche Entwicklungen feststellen. Dort und auch bei mir per E-Mail schlagen immer wieder Postings von Leuten auf, die absolut Null Ahnung von dem haben, was sie da machen sollen. Häufig hört es sich so an, als ob da jemand eine Aufgabe in der Schule oder Ausbildung bekommen hat, für die er überhaupt nicht die Grundlagen hat, um sie lösen zu können. In solchen Fällen muss dann das Internet herhalten. Nur dummerweise stehen dort die Fragen auch nicht so, wie sie ursprünglich gestellt wurden. Wenn derjenige die Fachbegriffe nicht kennt, dann wird er mit Google auch nichts finden. Die Gründe, warum das sich in den letzten Wochen gehäuft hat, liegt mit Sicherheit daran, dass das Schuljahr zu Ende geht und die eine oder andere Abschlussarbeit bevorstand und noch schnell versucht wird Wissen in die Köpfe zu pumpen. So gesehen wiederholte sich das Spiel aus den letzten Jahren in diesem Jahr wieder. Ich sehe es jetzt schon kommen. Im Herbst tauchen im Elektronik-Forum dann wieder viele Auszubildende auf, die an der Elektronik verzweifeln oder sogar scheitern.

Was ich jedoch noch viel bedenklicher empfinde, das habe ich in Gespräche mit den Betroffenen, die sich per E-Mail bei mir gemeldet haben, herausgefunden. Es scheint Tatsache zu sein, dass die elektronischen Grundlagen gar nicht mehr richtig gelehrt werden. Die jungen Leute scheitern schon bei den einfachsten Fragen und Aufgaben. Und, sie sind nicht in der Lage aus einem Text, der die Antworten auf die Frage oder Begriffsdefinitionen enthält, das Wissen herauszuziehen. Sich selbst etwas beizubringen ist nicht jedermanns Sache. Doch scheinbar wird das heute in der Schule und in der Ausbildung vorausgesetzt. Die Lehrer sind aufgrund des Drucks den Lehrplan durchzupauken gar nicht in der Lage den Schüler etwas richtig beizubringen. Der Faktor Zeit ist einfach nicht vorhanden.

Scheinbar ist es auch so, dass die Lehrer die Antworten selber gar nicht wissen bzw. überhaupt nicht erklären können. Wie soll ein Schüler in der Lage sein sich eine Antwort zu suchen, wenn er die absoluten Grundlagen nicht beherrscht?
Was ich von den Schülern und Azubis, die den ELKO Newsletter lesen, wissen möchte: Wie läuft das in der Schule oder in der Ausbildung? Bekommt Ihr genug Zeit, um die Grundlagen der Elektronik zu erlernen? Und nimmt sich der Lehrer oder Ausbilder genug Zeit um seine gestellten Fragen und Aufgaben anschließend zu erläutern?

Beste Grüße,
Patrick Schnabel

 

Daraufhin habe ich eine große Menge an Rückmeldungen erhalten. Ich war über die enorme Resonanz positiv überrascht. Negativ war, dass meine Beobachtungen mehrfach bestätigt wurden. Teilweise wurde von viel schlimmeren Zuständen berichtet. Ich zeige hier ein paar Auszüge, die die von mir angesprochene Situation sehr gut wiederspiegelt. Dabei habe ich alle Beteiligten berücksichtigt.

Eines vorweg. Es geht mir nicht darum, die Schuld an den Missständen irgendjemand in die Schuhe zu schieben. Schuldzuweisungen bringen nichts und führen keine Verbesserung herbei. Schuld ist höchstens das System oder die Konstellation, in der sich alle Beteiligten (Schüler, Azubis, Lehrer, Ausbilder) bewegen müssen. Das es in dem einen oder anderen Fall um krasse Situationen geht, dass kann immer vorkommen und muss die Ausnahme bleiben. Da ich hier die Positionen aller Beteiligten berücksichtige, bitte ich die einzelnen Personengruppen, sofern Sie sich angesprochen füllen, dass Sie sich an die eigene Nase packen und sich ernsthaft die Frage stellen, ob sie in der Lage sind, irgendetwas an der Situation zu verbessern. Schon Kleinigkeiten sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Schulsystem und Lehrpläne

Das Schulsystem in Deutschland ist dermaßen grottenschlecht, das es jeder Beschreibung spottet. Zum Einen kocht jeder Landesfürst sein eigenes, und dann auch noch sein Partei-Süppchen --- und das alle vier Jahre aufs Neue.

 

Ihren Ausführungen über die mangelnde Vermittlung von Grundlagenkenntnissen in der Elektronik Facharbeiterausbildung treffen den aktuellen Sachverhalt exakt. Wenn Sie die Lehrpläne von gewerblichen Auszubildenden im Bereich Elektronik einsehen, denken Sie es werden Manager ausgebildet. Man stürzt im Schulalltag von einer Präsentation in die nächste. Die Krönung des ganzen gipfelt darin, dass von den Prüfern in der mündlichen Prüfung keine Fachfragen mehr gestellt werden dürfen. Auch die Ausführungen zu den Qualifikationen der Lehrkräfte stimmen (leider) vielfach. Die Wegbereiter sitzen in den IHKs und im Kultusministerium.

 

Als indirekt angesprochener Berufsschullehrer kann ich Ihnen in Ihrer Einschätzung nur beipflichten, was den Lehrplan betrifft.
Zu den fachlichen Fähigkeiten der Kollegen kann ich mich nicht äußern!

 

Leider muss ich die Feststellung, dass elektronische Grundlagen nicht mehr richtig gelehrt werden, aus meinem Kenntnisstand, voll bestätigen. Grundlagen der Elektronik werden zu einem Randthema im Lehrplan, andere Dinge werden scheinbar immer wichtiger, wie Präsentationen u. ä. Überhaupt Grundlagen, nur noch Randthema. Das wird natürlich
kein Lehrplangestalter zugeben.

 

Leider muss ich Deine Feststellungen bestätigen. Es wird heutzutage nicht einmal mehr das Grundlegende wie "Aufgabe lesen, Analysieren, Bewerten, Grundformel suchen und die Unbekannte in der Aufgabe finden gelehrt.

Lehrer und Ausbilder

Also ich muss sagen, dass es ziemlich stark von der Lehrperson ab hängt. In der Berufsschule hatte ich mehrere Lehrer, die hattes zwar technisch schon drauf, aber die konnten es einfach nicht erklären. Mir hat das nicht so viel aus gemacht, weil ich schon einiges wusste. Aber andere, die diesen Stoff lernen sollten, die blieben auf der Strecke.

 

Die Qualität der Lehrer lässt DEUTLICH nach. Insbesondere die Lehrer ab 45 Jahre sind noch immer aller erste Sahne. Sie vermitteln den Lehrstoff noch immer nach der alten Methode: hinsetzten, zuhören, fragen. Insbesondere nach einem langen Arbeitstag ist diese Methode mit Abstand das Effektivste. Problematischer war ein sehr junger Lehrer. Eine Unterrichtsvorbereitung gab es bei ihm gar nicht. Dementsprechend waren die Klausuren auch immer das reinste Chaos. Teilweise wurde Stoff abgefragt, der nie erlernt wurde. Sogar zwei Gespräche mit diesem Lehrer unter sechs Augen brachten rein gar nichts.

 

Mein Eindruck war, dass viele Lehrer überhaupt nicht für Ihren Beruf geeignet waren. Mein Eindruck war immer, dass ich es mit den "abgestürzten der Wirtschaft" zu tun hatte. Für die, die in der Wirtschaft keine Chance sehen scheint dann ein Lehramt das richtige zu sein, Jahr für Jahr der gleiche Stoff, keinen Erfolgsdruck und ein geregeltes einkommen.

Der nächste Punkt ist dann noch, das die Lehrer oftmals selber nicht mit der Technik mithalten können.

 

Dort (Berufsschule in Österreich) sind die Lehrer total überlastet. Die meisten legen eine Folie auf den Overhead-Projektor, sagen, dass man Text abschreiben soll und nächste Stunde wird dieses Stoffgebiet geprüft. Und dann? Die große Überraschung: Niemand in der Klasse hat es verstanden und keiner hat nur ein bisschen Wissen für die Prüfung. Kein Lehrer in den Berufsschulen hat die Fähigkeit etwas zu lehren. Er ist dort eher mehr ein Aufpasser als Lehrer.

 

Schüler und Auszubildende

Der Großteil war zudem noch in seinen Betrieben eingespannt und konnten die Grundlagen auch nicht "nachstellen" oder sinnvoll nachvollziehen. Zudem spielt da oftmals noch ein "Desinteresse" an der Materie mit. Vielen haben halt eine Ausbildung angenommen, ohne zu wissen, was da auf einen zukommt.

 

Fakt ist auf jeden Fall, das sich die heutige Jugend mit und während der Berufsausbildung nicht mit der Materie auseinander setzen muss um den Berufsabschluss zu erhalten. Richtig auskennen tun sich in dem Zustand nur die wenigsten. Es verwundert da also nicht, wenn dementsprechend viele Emails ankommen wo Leute um Hilfe fragen. Eine Email ist halt schneller verfasst, als sich in die Materie einzuarbeiten. Wobei heute dank Internet & Foren es so einfach wie noch nie zuvor sein sollte.

Schulen

Das von Ihnen angesprochene Problem in der Ausbildung scheint mir aber nicht so neu zu sein, wie es Ihnen vorkommt. Als ich in den 70er Jahren (1970 bis 1972) ein Praktikum als Radio- u. Fernsehtechniker in Frankfurt/Main machte, sah es dort schon ähnlich schlimm aus. Ich glaube kaum, dass sich die Situation - Dank der dauernden Schulreformen - gebessert hat. Wenn ich höre, was so manch Ausbildungsbetrieb über die Fähigkeiten der Schulabgänger berichten, sträuben sich mir die noch vorhandenen Haare.

 

Wir hatten Einstellungstests für einige Betriebe zusammengelegt. Insgesamt waren es 11 Ausbildungsstellen für die Bereiche Fernmelde-, Elektro-, und Servicetechnik. Von 441 Bewerbern wurden 397 eingeladen. Mit den Einstellungstests von 1989 (damals Durchschnittsnote 1,3) hatten wir in der 1. Teststufe (schriftliche Eignungstests, Bereich Mathemetik +,-,*,/ Wurzel aus 81, Wurzel aus 144, 10% von 250 und 2% von 400 etc; Räumliches vorstellen; Physik, Chemie; Elektronik; PC; Schätzen; angewandtes Allgemeinwissen) folgendes Ergebnis: Durchschnittsnote 5,3. 5 Bewerber hatten Noten von 3,9 bis 4,4. Diese hatten ein Einstellungsgespräch und bekamen einen Ausbildungsvertrag. Bei keinem Bewerber wurden handwerkliche Fähigkeiten getestet oder die Zeugnisse zu Rate gezogen - die anderen 7 Ausbildungsplätze wurden gestrichen.

 

Allgemein

Ich kann dem vollinhaltlich zustimmen, ich bin froh, dass dies mal von einer neutralen kompetenten Seite thematisiert wird, von uns Lehrern werden ja solche Bedenken und Kritiken z. T. nicht ernst genommen oder sie werden runtergebügelt.


Sie sprechen deutlich über die Schwächen der Schüler in der E-Lehre und die Ursachen.


Deshalb finde ich auch das ELKO sehr gut, weil sich meine Schüler hier den Lehrplan Anforderungen entsprechend die relevanten Kenntnisse aneignen können.


Jetzt bin ich ja sehr neugierig, wie sich das Ganze weiterentwickelt. Es wäre schön, wenn Sie hier am Ball bleiben könnten, denn die Nöte und Probleme der Schüler müssen ernst genommen werden.


Wie geht es jetzt weiter?

Hinweis: Mein einführendes Schreiben wurde auch im Usenet (de.sci.electronics) und im ELKO Diskussionsforum veröffentlicht.

Da in Deutschland immer über Fachkräfte-Mangel gejammert wird, wir in bei den schulischen Leistungen nicht glänzen und uns bildungsmäßig auf immer schlechterem Niveau bewegen, halte ich Maßnahmen für dringend geboten. Meiner Meinung nach besteht seitens der Politik dringend Handlungsbedarf. Denn dort können die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Abwärtsspirale, in der wir uns befinden, aufzuhalten.
Da ich politisch nicht aktiv bin, gibt es für mich wenig Spielraum irgend etwas zu erreichen. Meine Idee ist deshalb zumindest mit dieser Seite auf die Missstände aufmerksam zu machen, in der Hoffnung, dass es jemand liest, der mehr Einfluss hat, um einen Stein, vielleicht auch nur einen kleinen, ins Rollen zu bringen.

Ludwigsburg, 10.07.2007, Patrick Schnabel

Folgende E-Mail erreichte mich ein paar Monate später

Hallo Herr Schnabel.
Ich habe über google ihre seite gefunden.
Auch ich habe nicht aus hobby an der materie sondern aus not an lehrerqualität ihre seite gesucht.

Doch erst das positive:
Ich danke ihnen das sie sich die mühe mit einer solchen seite gemacht haben.
Es gibt wirklich sehr, sehr wenige menschen auf der welt die einem das thema elektrotechnik verständlich erklären können.
Sie haben mir in wenigen minuten einige fragen beantworten können, die mir das leben in meinem fachabitur mit elektrotechnikschwerpunkt leichter macht.
Ein riesen danke dafür schonmal und ich werde ab sofort nach jeder stunde elektrotechnik bei ihnen reinschauen um die materie mir selbst zu erarbeiten.

Da wären wir schon mittendrin:
Ich habe eine ausbildung zum KFZ-Mechatroniker gemacht.
Der Berufsschullehrer für elektrotechnik schaffte es nicht innerhalb von 1,5 jahren unserer klasse das mittlerweile sehr einfache ohmsche gesetz verständlich zu machen.
Ein ausbilder in einer überbetrieblichen unterweisung brauchte dafür gerade 1 stunde!
Doch er war leidenschaftlicher techniker, hatte spaß an der ausbildung junger leute und sprach in einer sprache die elektroniklaien verstehen.
Er ersetzte dann die laiensprache wort für wort mit fachbegriffen und man glaub es kaum:
In diesen 5 mal 8 stunden habe ich mein gesamtes elektrontechnikwissen dieser ausbildung her.
dazu meine interessierte art sachen aufzusaugen die für mein beruf wichtig sind haben mir den satz eines prüfers in der abschlußprüfung eingebracht:
"Sie haben gute grundlagen, stehen nicht auf kriegsfuß mit der e-technik, und das sieht man selten" Kurz: Note Prüfung e-technik: 2!

Doch jetzt im fachabitur an einem technischen OSZ habe ich die lust auf e-technik fast verloren.
Der lehrer hat man den eindruck ließt nur von seinen vorgefertigten aufgaben ab, wenn man nachfragt erklärt er völlig wirr und wird böse wenn man nochmals nachfragt.
Das führt dazu das kaum einer mehr nachfragt, wir uns untereinander irgendwie irgendwas erklären und bei den tests und arbeiten bis auf wenige elektrogenis die noten unter befriedigend ausfallen.

Ich kann ihnen nur zustimmen das viele lehrkräfte selbst keine ahnung von dem zu haben scheinen was sie unterrichten...oder schlicht am falschen platz sind.
So führen viele gerade e-technik lehrer ihren unterricht im universitäts-stil und das geht an einer berufsschule nicht, gerade in e-technik, gerade wenns um wechselstrom geht.

Ich bin ehrlich...ohne menschen wie sie, ohne internet, ohne selbststudium wär ich lange nicht auf einer für mich höchst unbefriedigenden 4-5.
Doch ich sag mir mittlerweile da muste durch...
Als autoschlosser brauchste eh meist nur gleichstrom dann wurschtelste dich hier durch und gleichst im zweifel mit guten bis sehr guten anderen fächer aus...
Doof bin ich also nicht, das ich was zum ausgleich hab.

Ist aber auch nicht sinn der sache...doch was soll man als schüler tun?
Auch gespräche mit lehrern, Abteilungsleitern, schulleitern...war alles erfolglos.
Ergo hilf dir selbst sonst bist du verlassen. zumindest in diesem schulsystem.
Und mir kann keiner mangelnde motivation vorwerfen.
Doch wenn man eh mit dem gefühl in den unterricht geht, dass man nix lernt und nur anwesend sein muß, dann schwindet auch bei mir die motivation...

Ich hoffe sie behalten ihre internetpräsens möglichst lange aufrecht, das leute wie ich eine chance haben dieses eigendlich sehr interessante aber gleichzeitig so kompliziert gemachte thema verstehen.

Ich kann nicht genug dafür danken!
Das muste ich ihnen einfach mal schreiben und mich leider in ihre reihe der katastrophalen bildungszustände in unserem schulsystem anprangernen e-mails und beträge einreihen.
Liebe grüße

 

Am 24.05.2009 erreichte mich folgende E-Mail:

Lieber Herr Schnabel,
als erstes ein Lob für die sinnvolle und lehrreiche Internetseite, die Sie ins Leben gerufen haben. Schon im Abitur mit ET-Schwerpunkt habe ich mein Wissen mit den Inhalten Ihrer Seite erweitern, festigen und ausbauen können. Auch jetzt im Studium und aus privatem Interesse schaue ich noch oft vorbei. Ein großes Lob an dieser Stelle.
Ich habe begonnen, das Berufsschul-Lehramt mit der beruflichen Fachrichtung Elektrotechnik zu studieren. Da ich mich vor kurzem intensiv mit der Ausbildungssituation von angehenden Berufsschullehrern beschäftigt habe, bin ich auf Ihren Forumsbeitrag vom 27.06.07 gestoßen. Hier spiegelt sich die Situation an den deutschen Berufsschulen realistisch wieder, genau so, wie sie auch in einschlägiger wissenschaftlicher Literatur seit Jahrzehnten kritisiert wird. Um es kurz und knapp auf den Punkt zu bringen: die universitäre Ausbildung zum Berufsschullehrer für Elektrotechnik ist alles andere als alltagstauglich. Die Inhalte des notdürftig zusammengewürfelten Lehrplans qualifizieren den Studenten weder ingenieursmäßig, noch für die spätere Berufspraxis. Auch die Umstrukturierungen im Rahmen des Bologna-Prozesses auf konsekutive Studiengänge mit Bachelor- und Masterphase hat die Studiensituation nicht grundlegend verbessert. Es gelingt immer noch nicht, die Brücke zwischen Wissenschaft und Berufspraxis zu schlagen. Das Problem ist seit der Akademisierung der Berufsschullehrer in den 60er Jahren bekannt, doch eine Neuordnung der Lehrpläne gestaltet sich als äußerst schwierig. Es gibt zu wenige ET-Lehramtsstudenten, weshalb auch keine Bewilligung von finanziellen Mitteln zur Umstrukturierung zu erwarten ist. Die Situation wird sich vermutlich noch weiter verschlimmern, da es immer mehr besonders schlechte Abiturienten ohne Ausbildung und Berufserfahrung ins Studium zieht. Lediglich an der Uni Leipzig gibt es einen Spracheignungstest für angehende Lehramtsstudenten, an dem ein nicht unbeachtlicher Teil der Interessenten scheitert. An den anderen Unis kann vorerst jeder anfangen. Da die Nachfrage an Studienplätzen gering ist, gibt es in der Regel keinen Numerus Clausus. In der Einführungsveranstaltung zur Berufsschullehrerausbildung an der Uni hat man uns nach der Begrüßung als erstes ganz deutlich gesagt, dass man uns nicht beibringen wird, wie man richtig unterrichtet. Das sollten wir uns schon selber aneignen. Ich dachte, ich traue meinen Ohren nicht...

Aber es kommt noch schlimmer:
Im Studium hören wir zu einem Drittel eine Auswahl von Veranstaltungen der ET-Ingenieurwissenschaften, die aus dem Zusammenhang gerissen leider wenig Sinn ergeben. Im Ingenieurs-Studium ergänzen sich die einzelnen Module und bauen sinnvoll aufeinander auf. Das zweite Drittel besteht aus dem verpflichtenden Zweitfach, in dem es bei mir ähnlich wie im Hauptfach aussieht. Das letzte Drittel besteht aus den so genannten erziehungswissenschaftlichen Modulen, in denen es aber anders als der Name es vermuten lässt, momentan nicht darum geht wie man mit Schülern umgeht, sondern eher um gesellschaftswissenschaftliche Inhalte, die wenig realitätstauglich sind. Gerade in der heutigen Zeit sollten vornehmlich pädagogische Schwerpunkte gesetzt werden.

Ich erinnere mich wie ein Berufsschullehrer in ihrem Artikel schreibt, er habe den Lehrplänen nach zu urteilen das Gefühl, er solle die Berufschüler zu kleinen Managern ausbilden - fachliches Wissen verkümmere zu einem Randthema. Das seit einiger Zeit eingeführte Lernfeldkonzept an den Berufsschulen erinnerte mich sofort an die geschilderte Situation. In einer aktuellen Definition des Berufsschul-Bildungsbegriffs ist das Wort Fachwissen nicht einmal mehr enthalten. Es geht vielmehr darum, Berufsschüler zu sozialisieren, ihre Persönlichkeit zu bilden, ihnen die Fähigkeit zu vermitteln, sich zu reflektieren, usw.
Mal ganz salopp formuliert und bitte nicht zu ernst zu nehmen: Man stelle sich mal vor, auf der Baustelle wird nicht mehr gemauert und Beton gegossen, sondern stilsicher bei Rotwein und Käse auf höchstem Niveau über sozialkritisch-politische Inhalte sinniert. Eine utopische Vorstellung der verakademisierten, praxisfernen Universitätswelt. Schlussendlich fehlt es dann im Handwerk wieder an fähigen Gesellen und die nächste politische Debatte über unbesetzte Stellen und mangelhaft qualifizierte Fachkräfte ist eröffnet...

 

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