Im Fokus: Der Millereffekt

 


Im Fokus ist eine neue Elektronik-Minikurs-Idee. Es geht darum ein Thema in den Raum zu stellen, das von allgemeinem Fachinteresse ist. Dieses Thema wird so weit wie nötig erklärt. Oft bietet Wikipedia eine hervorragende einführende Erklärung. Danach werden Elektronik-Grundlagen- und Elektronik-Minikurse vorgestellt, wo das Thema in praktischer Form präsentiert wird. Diesmal geht es um das Thema Millereffekt.

"Als Millereffekt wird die effektive Vergrösserung der parasitären Kapazität zwischen Ausgang und invertierendem Eingang eines Spannungsverstärkers bezeichnet. Dieser Effekt ist meist störend, kann aber auch zum Erzeugen grösserer effektiver Kapazitätswerte vorteilhaft verwendet werden. Der Effekt ist nach John Milton Miller benannt, der ihn 1919 entdeckt hat. Eine Verallgemeinerung des Millereffekt ist das Millertheorem."
Soviel zur Einleitung aus dem Wikipedia.

Praxisorientiert erklärt ist der Millereffekt im Elektronik-Minikurs

Der Millereffekt wird mit Bild 1 erklärt. Der Millereffekt und der Sättigungs-Effekt sind zwei unterschiedliche Effekte. Beide Effekte werden mit Bild 2 erklärt. Es geht zur Hauptsache darum, was man gegen zu geringe Schaltgeschwindigkeiten von schaltenden Transistoren unternehmen kann, wenn der Miller- oder/und der Sättigungs-Effekt der "Übeltäter" ist. Wir bleiben hier jedoch beim Millereffekt....



Millereffekt (Miller-Kapazität) in weiteren Elektronik-Minikursen



Wir experimentieren mit dem Millereffekt...

Es geht um einfache Experimente, die leicht realisierbar sind. Eine LED, das Versuchsobjekt, Transistor und zwei Widerstände mit einem Kondensator im Prinzip genügen bereits. Warum "im Prinzip" werden wir noch sehen. Wir kommen zu Bild 1:

Wir beginnen mit einer einfachen und praxisbezogenen Kurzbeschreibung aus der Webseite
Die gute Frage:

    Die Miller-Kapazität wirkt als Gegenkopplung auf den steuernden Eingang, also getrieben von der (hohen) Spannungsänderung am Drain (oder Kollektor). Damit ist das tatsächliche "Durchschalten" nun stark abhängig, wie dieser Gegenkopplungs-Stromanteil von der Ansteuerschaltung beherrscht werden kann.
    (Basis-Link von Die gute Frage.)

Teilbild 1.1: Wie kommt es eigentlich zur scheinbaren (virtuellen) Kapazität Cx (hier dargestellt in einer Wolke) die deutlich höher sein kann als die echte Kapazität zwischen Kollektor und Basis Cm0 (m = Miller). Genau das geschieht nicht, wenn Ua dem GND-Pegel entspricht. Siehe punktierte Linie zwischen Ua und GND.

Anstelle von GND kann es auch eine konstante Spannung sein. Die ganz normale exponentielle Lade-/Entladecharakteristik einer RC-Schaltung bleibt sich gleich. Nämlich alleine gegeben durch Rb und Cm0. Die reale Kapazität von Cm0 liegt im unteren pf-Bereich. Beim BC547 sind es typisch 3.5 pF.

Teilbild 1.2: Ua ist frei, also arbeitet der Transistor T als invertierender Verstärker. Während Ue steigt, bleibt Ua nicht konstant. Ua sinkt mit der Funktion der invertierenden Verstärkung. Es fliesst ein zunehmender Kollektor-Emitter-Strom. Die Spannung über Cm0, bzw. der Cm0-Ladestrom sinkt. Dadurch verlängert sich die Ladezeit. Es wirkt die scheinbare höhere Kapazität Cx. Die Spannungsverstärkung und die Gegenkopplung macht aus Cm0 ein Cx mit einer scheinbar höheren Kapazität. Dies hat zu Folge, dass die Schaltung an Geschwindigkeit einbüsst. Eine schnelle Spannungsflanke an Ue erzeugt an Ua eine deutlich langsamere Flanke, wenn denn überhaupt noch eine Flanke erkennbar ist. Das ist dann noch abhängig von der Frequenz.

Um beim Schalten des Transistors die Flankensteilheit zu verbessern, schaltet man parallel zum Widerstand Rb ein Kondensator. Dazu liest man mehr im Kapitel
"Schneller Schalter mit NPN-Transistor" im Elektronik-Minikurs:
Schalten und Steuern mit Transistoren II: Der Sättigungs- und der Millereffekt!.

Teilbild 1.3: Hier beabsichtigt man das Gegenteil. Anstelle der Kompensation der Miller-Kapazität Cm0, unterstützt man diese mit einem zu Cm0 parallel geschalteten Kondensator Cm mit viel höherer Kapazität. Damit erreicht man ein langsames Ansteigen und Senken von Ua. Allerdings ist die Anstiegs- und Senkzeit keineswegs identisch, wie noch gezeigt wird. Wir kommen zu Bild 2 mit dem Einsatz eines NPN-Darlington oder geeigneter mit einem MOSFET.

Die Schaltung mit nur einem Transistor in Teilbild 2.1 (1.3) eignet sich nicht für das Experiment, weil nur ein Transistor ein zu grosser Basisstrom benötigt. Dies erschwert die Vergrösserung der Millerkapazität, die es benötigt zu einem eindrücklichen Experiment. Die Problemlösung bietet die Schaltung in Teilbild 2.2 mit einer Darlingtonstufe, bestehend aus zwei NPN-Transistoren des Typs BC547, BC550 oder ein anderer Typ mit ähnlichen Parametern. Anstelle dieser beiden Transistoren eignet sich ebenso gut z.B. der integrierte NPN-Darlington BC517. In Teilbild 2.3 kommt ein MOSFET, der BS170, zum Einsatz. Diese Schaltung, weil rein spannungsgesteuert mit einem extrem hohen Eingangswiderstand, eignet sich am Besten für das folgende Experiment in Bild 3 und einer nützlichen Anwendung in Bild 4.

Das Experiment: Der Millereffekt ist speziell dann geeignet, wenn man eine langsam steigende Spannung benötigt. Die Präzision hält sich allerdings in gewissen Grenzen (Linearität). Will man gleichzeitig eine steigende und eine fallende Spannung, geht dies mit einem zusätzlichen Inverter mittels eines Opamp. Die digitale Lösung mit Counter, DA-Wandler und Glättungsfilter bietet für hohe Präzision ein besseres Resultat. Aber das ist hier nicht das Thema.

Die Schaltung in Teilbild 3.1, entspricht der Schaltung in Teilbild 2.3. Die R2*Cm-Zeitkonstante beträgt eine Sekunde, durch den extern zugeschalteten Kondensator Cm mit einer Kapazität von 1 µF und dem Widerstand R2 mit 1 M-Ohm. Ich habe im Experiment einen Keramik-Kondensator (Abkz. Kerko) eingesetzt, wegen dem hohen dielektrischen Isolations-Widerstand. Man kann diesbezüglich auch einen Papierwickel-Kondensator einsetzen, mit eher noch höherem Isolations-Widerstand. Diese sind jedoch relativ gross und für diese Anwendung auch übertrieben. Ein Elko oder hier auch ein Tantal-Elko eignet sich selbstverständlich nicht.

Die gewohnte RC-Lade- und Entladekurve wird linear, verursacht durch die Spannungsgegenkopplung. Der Nachteil dieser Schaltung ist, dass der Lade- und der Entladeverlauf nicht einfach symmetrisch ist. Hier stellt sich diese Symmetrie ein, wenn die Spannung Utp am Trimmpoti TP auf 4.7 VDC eingestellt ist. Siehe Diagramm 3.3. Das funktioniert mit der vorliegenden Schaltung nur für kurze Zeiten im unteren Sekundenbereich. Hier sind es 5 Sekunden. Eine Anpassung zu längeren Zeiten sind möglich, durch Erhöhung der Kapazität Cm oder/und durch einen höheren Widerstand R2.

Wenn die Symmetrie eine wichtige Rolle spielt, dann käme eine andere Schaltung, nach dem Prinzip eines Dreieckgenerators in Frage. Auf diese Weise hat man allerdings keine Kapazitäts-Multplikation und dies bedeutet, dass man für lange Zeiten eine grosse Kapazität, zum ebenfalls hohen Widerstand, einsetzen muss.

Diagramm 3.2 zeigt zwei Beispiele. Mit Utp = 3.0 VDC erreicht man eine linear ansteigende Spannung während der Dauer von 20 Sekunden bis zur Endspannung von Ua = 10 V. Für einen deutlich länger andauernden Spannungsanstieg von etwa 3 Minuten, muss man Utp auf 2.5 VDC einstellen. Die Endspannung Ua liegt dann bei 7 V.

Ua ist sie Spannung über R3. Die Bezeichnung Ua, weil diese Spannung als Ausgang zu den Messungen dient (Bild 4). Übrigens auch ohne Messung, alleine das Beobachten wie extrem langsam die LED dunkler wird, wenn der Schalter S von LH (+15V) auf LD (GND) geschaltet wird, beeindruckt. Dies genügt eigentlich schon, wenn man einfach nur zeigen will, wie wirksam der Millereffekt sein kann schon beim Einsatz einer RC-Schaltung mit einer Zeitkonstante von nur einer Sekunde.

Das gezeichnete Messinstrument hat nur einen symbolischen Charakter. Man sollte ein aktives Multimeter mit hochohmigen Eingangswiderstand einsetzen. Zum Beobachten der Linearität eignet sich ein (digitales) Speicher-Osilloskop. Diese Eingänge haben in der Regel einen Eingangswiderstand von 1 M-Ohm. Genügt das nicht, einfach eine kleine Impedanzwandler-Schaltung mit einem Opamp dazwischen schalten.

Messtechnik: Eine langsam bis sehr langsam steigende oder sinkende DC-Spannung eignet sich zum Testen einer elektronischen Schaltung, die in einem kleinen Bereich der Eingangsspannung instabil ist, z.B. unerwünscht oszilliert. Dies hilft unter Umständen mit die Störung zu analysieren. Dazu muss man die Schaltung in Bild 3 erweitern, damit Ua auf GND bezogen ist, wie dies hier Bild 4 mit zwei Opamps zeigt.

Bild 4 unterscheidet sich von Bild 3, dass mittels Schalter S gewählt werden kann, ob die DC-Spannung Ua steigt, stoppt oder sinkt. Dazu benötigt man ebenfalls einen Schalter mit dem man zwischen LH und LD umschaltet, jedoch mit einer Mittelstellung, wo beide Kontakte offen sind. Diese Position ist mit ST (Stop) gekennzeichnet. Man glaubt es nicht, es ist aber tatsächlich so, dass bei Stop die Spannung Ua stoppt und unverändert den momentanen DC-Spannungswert konstant hält und dies locker während 30 Minuten oder mehr. Geprüft auf einem Steckboard. Solche Schalter gibt es unter den Minikippschalter.

Die Miller-Schaltung mit dem MOSFET T1 invertiert die Eingangsspannung Ue. Dies alleine eignet sich für die vorliegende messtechnische Anwendung nicht. Besser ist es, dass Ua zu steigen beginnt, wenn an Ue die positive Spannung anliegt oder umgekehrt. Dafür sorgt nach dem Impedanzwandler IC:A der Inverter mit IC:B. Dafür eignet der CMOS-Dual-Opmp TLC272.

Da die Schaltung mit mit 12 VDC betrieben wird, eignet sich die Opamp-Familie in CMOS-Technologie mit einer maximal zulässigen Betriebsspannung von 16 VDC bestens. Für eine höhere Betriebsspannung käme vielleicht der LM358 (BJT) in Frage. Dies habe ich jedoch nicht getestet.

Nochmals_zusammengefasst: Opamp IC:A arbeitet als Impedanzwandler mit Verstärkung 1. Damit wird die Schaltung mit dem Millereffekt nicht beeinflusst, weil der CMOS-Eingang extrem hochohmig ist. Opamp IC:B arbeitet mit Verstärkung -1 als Inverter. Damit wird die Invertierung mit T1 (BS170) für den Ausgang Ua neutralisiert.

Mit Trimmpot TP2 muss man die Spannung Ua auf den GND-Pegel justieren, wenn mit Stellung LD beim Schalter S Ua die minimale Spannung anzeigt, aber noch nicht dem GND-Pegel entspricht.

Rechts in Bild 4 zeigt Diagramm 4.2 ein Anstieg von Ua beim LH-Kontakt (Schalter S), dann wird Schalter S auf ST (Stop) gestellt. Ua liegt auf einer konstanten Spannung. Nachfolgend liegt Schalter S wieder in Kontakt mit LH und Ua steigt bis zum maximalen Pegel. Diagramme 4.3 und 4.4 sind damit ebenso klar zu verstehen, LD-->ST-->LD oder LH-->ST-->LD.



Thomas Schaerer, 08.11.2020