Positive Zusatzspannung mit dem LMC555

 


Einleitung

Es gibt gute Gründe, dass man eine höhere positive DC-Spannung mit nur geringem Strom zum Betrieb einer kleinen Schaltung benötigt, die höher ist als die positive Betriebsspannung, die für den grossen Rest einer Schaltung zum Einsatz kommt. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn man bei einem Operationsverstärker die Gleichtaktspannung an den Eingängen bis zur positiven Betriebsspannung fahren muss, wie dies bei einer Stromsensorschaltung der Fall ist. Ein solches Beispiel zeigt der Elektronik-Minikurs Vom Overload-Stromsensor zur elektronischen Sicherung, wenn man sämtliche Wortscase-Bedingungen einhalten und vollständig unabhängig in der Wahl des Operationsverstärkers sein will. Ein anderes Beispiel wäre der Einsatz eines N-Kanal-Leistungs-MOSFET, der eine positive Betriebsspannung schalten soll und deshalb das Gate dieses MOSFET mit einer Spannung angesteuert werden muss, die deutlich höher ist als die positive Betriebsspannung. Es gibt in beiden Beispielen spezielle Bauteile, die keine positive Extraspannung benötigen. Sie ist jedoch oft notwendig, wenn man auf solche speziellen Bauteile nicht angewiesen sein will. Es gibt natürlich auch spezielle Bauteile um eine höhere zusätzliche DC-Spannung zu erzeugen. Will man aber auch davon nicht abhängig sein, ist auch dies mit oft vertretbarem Aufwand möglich. Wie eine solche Schaltung realisiert werden kann, beschreibt dieser Elektronik-Minikurs. Es geht vor allem darum, dass der Elektronik-Azubi lernt, wie man so etwas selbst in Angriff nimmt und umsetzt.



Schritt für Schritt bis zur Schaltung

Wenn man aus einer hohen DC-Spannung eine niedrige realisieren will, ist dies kein Problem: Man benutzt einen Spannungsteiler. Leider ist es nicht so einfach, wenn man eine höhere DC-Spannung aus einer niedrigeren erzeugen will, wie dies Bild 1 unter dem Titel WUNSCHDENKEN illustriert. Bleiben wir bei der Realität und widmen uns dem Thema, wie man aus einer niedrigen DC-Spannung, mit einer einfachen Methode, eine höhere mit wenig Strom zu Steuerzwecken realisiert. Man betrachte dazu Bild 2:

Teilbild 2.1 zeigt was es in jedem Fall braucht: Eine AC-Spannung, die mit einem Oszillator, hier ein einfacher Rechteckgenerator RG, erzeugt werden muss. Wenn es ein Rechteckgenerator ist, der ausgangsseitig aus MOSFETs besteht, ist es möglich eine Ausgangsspannung zu erzeugen, dessen High-Pegel der Betriebsspannung +Ub und der Low-Pegel dem GND entspricht. Voraussetzung dafür ist, dass der Laststrom (Widerstand R) in Relation zu den Drain-Source-Widerständen der MOSFETs passend niedrig ist. Genau dies zeigt Diagramm 1 in Teilbild 2.1. Man beachte, die Diagrammnummern in den Kreisen sind auf den obigen zugehörigen Schemata in Kreisen mit kleinen Pfeilen eingetragen. Differenziert man die Rechteckspannung vom Ausgang des RG mittels eines einfachen passiven RC-Differenzierers (Hochpassfilter erster Ordnung), entsteht dann eine GND-symmetrisches Rechteckspannung, wie Diagramm 2 zeigt, wenn die RC-Zeitkonstante wesentlich grösser ist, als der Reziprokwert der Frequenz (Periode) der Rechteckspannung am Ausgang des RG. Grund dafür ist, dass aus der "Sicht" des Kondensators C, die RC-Schaltung ein Integrator ist. C wird, je nach Stromrichtung durch R abwechselnd ge- und entladen. Ist die RC-Zeitkonstante wesentlich grösser als die Periode der Rechteckspannung, pegelt sich die Spannung über C auf +Ub/2 ein. Es bleibt einfach viel zu wenig Zeit, damit sich C signifikant auf- und entladen kann. Die Rippelspannung über C bleibt daher sehr klein. Diese halbe Betriebsspannung subtrahiert sich von der Rechteckspannung in Diagramm 1 und so entsteht die GND-symmetrische Rechteckspannung, - allerdings nur dann, wenn der Tastgrad d/T exakt 0.5 beträgt. Mit 0.5 ist die Lade- und Entladedauer von C exakt identisch, weil für die Ladung und Entladung der selbe Widerstand R zuständig ist.

Teilbild 2.2 zeigt den nächsten Schritt. Wir schalten parallel zum Widerstand R eine Diode D. Die RC-Zeitkonstante und die Frequenz des RG bleiben gleich gross. Was jetzt anders ist, C wird, wenn D leitet (RG-Ausgang = Low), sehr schnell entladen, weil D im leitenden Zustand sehr niederohmig ist. Aufgeladen wird C (RG-Ausgang = High) durch R mit der RC-Zeitkonstante sehr langsam, weil R eben wesentlich hochohmiger ist als D im leitenden Zustand. In diesem Zustand des Ladens sperrt D jedoch. Dieses grosse Widerstandsungleichgewicht hat zur Folge, dass C fast immer entladen ist, wobei nur dann, wenn die RC-Zeitkonstante wesentlich grösser ist als die Periode der Rechteckspannung:
Kaum beginnt C sich über R zu laden, wird die anfängliche Ladung mit D schon wieder kurzgeschlossen. Ganz so ideal ist es aber nicht, weil D nur solange Strom aus C ziehen kann, bis die Spannung über C die Durchfluss-Spannung (bei Silizium-Dioden [1N914] etwa 0.7 V) von D plus den Spannungsabfall des Innenwiderstandes von RG erreicht hat. Ab diesem Moment sperrt D und die weitere Entladung erfolgt nur noch langsam über R. Dies hat zur Folge, dass gemäss Diagramm 2 der High-Pegel der Reckteckspannung um mindestens die Diodenfluss-Spannung von D niedriger ist als +Ub und der Low-Pegel um den selben Betrag -Ud im negativen Spannungsbereich liegt. Um diesen Nachteil zu reduzieren, kann es sich lohnen anstelle von Silizium- Schottky-Dioden (z.B. BAT85 oder BAT43) zu verwenden. Zur Anwendung von niedrigen Strömen im mA-Bereich, eignen sich auch Germaniumdioden (z.B. 1N270).

In Teilbild 2.3 ist es ohne R aber kaum anders, weil wenn man realistischerweise voraussetzt, dass nach dem Pfeil eine Last folgt, ist die Situation praktisch gleich, wie dies Diagramm 2 illustriert. Ohne irgendwelche Last würde man exakt die selbe Rechteckspannung messen wie Diagramm 1 zeigt, weil ohne ohmsche Last wirkt beim Umschalten des Pegels der Rechteckspannung nur die Reaktanz (kapazitiver Widerstand) von C. D ist arbeitslos, weil D immer im sperrenden Zustand ist. Wenn RG = High, kann C nicht geladen werden weil D sperrt und wenn RG = Low, kann C, weil ohne Spannung, über D nicht entladen werden.

Teilbild 3.1a/b ist die Wiederholung des Teilbildes 2.3, das hier dem Vergleich mit Teilbild 3.2a/b dient. Was ist in der Schaltung Teilbild 3.2a anders? Die Beschaltung von C1 mit D1 ist mit der von C mit D in Teilbild 3.1a mit einem Unterschied anders, dass hier die Anode von D1 nicht mit GND, sondern mit +Ub referenziert ist. Damit wird die Rechteckspannung in Diagramm 2 in Teilbild 3.1b von GND auf +Ub verschoben. In Diagramm 2 in Teilbild 3.2b zeigt sich die selbe Rechteckspannung mit der fast doppelt so hohen Maximalspannung. D2 und C2 erzeugen mittels Glättung die DC-Spannung (3), die fast doppelt so hoch ist wie +Ub. Wenn man allerdings nur wenige Volt über (3) benötigt, reduziert man mittels Z-Diodenstabilisierung die Überspannung auf einen festen stabilen Wert an Ub1. Dies erreicht man mit R und Z. Es leuchtet natürlich ein, dass mit dieser "Holzhammermethode" der Wirkungsgrad sehr schlecht ist, was allerdings keine Rolle spielt, wenn +Ub1 nur wenige mA, z.B. für den Betrieb eines Operationsverstärkers liefern muss, die gesamte Schaltung jedoch ein Vielfaches dieses Stromes, ohne diese Fast-Spannungsverdopplung, verbraucht.

Teilbild 4.1 unterscheidet sich vom Teilbild 3.2 nur darin, dass Teilbild 4.1 polarisierte Kondensatoren, Elektrolytkondensatoren (Elkos) enthält. Sobald man Kapazitätswerte von mehr als einigen 100 nF einsetzen möchte, lohnt sich die Wahl von Elkos, weil sie kleiner und preiswerter sind als andere Kondensatoren. Da es bei der vorliegenden Anwendung keine besonders niedrige Quellimpdanzen gibt, d.h. es fliessen kurzzeitig Ströme höchstens im 10-mA-Bereich, kann man auch Tantal-Elkos verwenden. Diese haben bei hohen Schaltfrequenzen den Vorteil, dass sie eine niedrigere Eigeninduktivität besitzen als gewöhnliche Elkos. Bei der Wahl von Tantal-Elkos sollte man aus Gründen der Funktionssicherheit aber schon darauf achten, dass die Nennspannung hoch genug ist. Man verwende also 25-V- oder 35-V-Typen, wenn die Ladespannung auch nur maximal 12 VDC beträgt.

Die wichtigste Frage ist natürlich, wie gross sollen denn diese Kapazitäten sein? Das ist ganz davon abhängig wie gross die Schaltfrequenz und der Stromverbrauch ist und wie hoch die Rippelspannung an C2 vor der Stabilisierung mit R und Z sein darf. Das sieht etwas kompliziert aus. Ist es aber nicht. Man kann auf den Taschenrechner getrost verzichten.

Beispiel mit einem Operationsverstärker: Wir betreiben mit +Ub1 einen Operationsverstärker der in der Regel einige mA aufnimmt. Wir legen die Schaltung so aus, dass der Verbrauchsstrom plus der Strom über die Z-Diode maximal 10 mA beträgt. Die Schaltfrequenz soll 100 kHz sein, was mit dem CMOS-Timer-IC LMC555 oder TLC555 leicht zu realisieren ist, wie wir noch sehen werden. Nun gilt bei Netzteilen die Faustregel, dass man für den Ladeelko einen Wert von etwa 4000 µF/A wählt. Die Rippelspannung beträgt bei 100 Hz (Zweiweggleichrichtung), ohne Berücksichtigung des Quellwiderstandes des Trafo und des Lastwiderstandes, etwa 2 Vpp. Mit der Berücksichtigung des hier nicht so niedrigen Quellwiderstandes kann eine niedrigere Kapazität gewählt werden. Mehr zu diesem Thema erfährt man in Buch Halbleiter-Schaltungstechnik von U.Tietze und Ch.Schenk im Kapitel Stromversorgung. Ich habe die 9. Auflage dieses Buches (ISBN: 3-540-19475-4). Für die gleich hohe Rippelspannung und gleicher Frequenz benötigt man bei einem Strom von 10 mA noch eine Kapazität von 40 µF. Wir setzen aber eine Frequenz von 100 kHz ein und dies reduziert diese Kapazität um einen Faktor 1000, also auf 40 nF, allerdings mit der selben Rippelspannung. Das ist hier zuviel. Wenn man bedenkt, dass ein Tropfen-Tantal-Elko mit einer Kapazität von 1 µF, mit einer Nennspannung von 25 VDC oder 35 VDC, winzig klein ist und dass 1 µF bloss eine Rippelspannung von etwa 60 mVpp bewirkt, ist die Wahl entschieden. Mit einer R/Z-Stabilisierung wird diese Rippelspannung zusätzlich unterdrückt. Will man allerdings eine besonders saubere stabile DC-Spannung für +Ub1 erzeugen, lohnt sich der Einsatz eines zusätzlichen R1/C3-Tiefpassfilters vor der R2/Z-Stabilisierungsstufe, wie dies Teilbild 4.2 illustriert.

Bild 5 zeigt die selbe Schaltung wie Teilbild 4.2. Es wird bloss noch zusätzlich die Verbindung zum Rechteckgenerator RG und zum Operationsverstärker verdeutlicht. Die Speisung von RG muss zwischen +Ub und GND, wie übliche kapazitiv abgeblockt sein. Kommt als RG ein LMC555 oder TLC555 zum Einsatz, genügt üblicherweise ein Keramikondensator (Kerko) mit einer Kapazität von 100 nF (Ck). C5 ist ein Elko. Je nach Anwendung von +Ub, empfiehlt sich in der Regel ein Wert zwischen 10 und 100 µF. Er sorgt dafür, dass die mittelfrequente Impedanz zwischen +Ub und GND niederohmig ist. Dies dient der Funktionsstabilität. Ck und C4, beides Kerkos, unterstützen die niedrige Impedanz für hohe Frequenzen. Diese hohen Frequenzen entstehen z.B. bei Operationsverstärkern und andern aktiven Schaltungen durch unerwüenschtes Oszillieren. Ein Ck nahe am IC verhindert dies, wenn nicht andere Störursachen vorliegen.

Bild 6 unterscheidet sich von Bild 5 ebenfalls nur geringfügig. Dem aufmerksamen Leser fällt aber sofort auf, dass RG mit dem Widerstand R3 "hochgelagert" und mit der Z-Diode seine Betriebsspannung stabilisiert ist. Wozu soll das denn gut sein?

Die Antwort ist ganz einfach. +Ub ist wesentlich grösser als RG erträgt. Verwendet man einen LMC555 oder TLC555, sind das maximal 15 VDC. Was aber tun wir, wenn man einige zusätzliche Volt über +Ub braucht und +Ub hat einen Wert von 24 VDC oder sogar 48 VDC? Dazu taugt diese Lösung hier. Die Z-Diode Z2 stabilisiert die Betriebsspannung von RG auf einen vernünftigen Wert. RG und das folgende Netzwerk aus C1, D1, D2 und C2 ist natürlich nicht mehr in der Lage +Ub etwa zu verdoppeln, weil die Rechteckspannung bloss noch den Wert von maximal Uz2 hat und diese Spannung ist nur ein Teil von +Ub. Die Rechteckspannung wird, wie wir jetzt wissen, auf den Wert über +Ub verschoben. Diese Spannung muss schliesslich nur so gross sein, dass nach Gleichrichtung und Glättung mit R2 und Z1 die zusätzliche Spannung für den Betrieb des Operationsverstärker OA, oder eine andere Schaltung, einwandfrei stabilisiert wird. Mit dieser Methode kommen wir mit Bild 7 zum Schluss dieses Elektronik-Minikurses:

Es geht um den Betrieb einer elektronischen Sicherung. Der LMC555 arbeitet als Rechteckgenerator mit einer Frequenz von etwa 100 kHz und gespiesen wird dieser Generator mit 12 VDC von Z2. Wie die Schaltung arbeitet, ist aus dem bisherigen Inhalt bekannt und bedarf keiner weiteren Worte. Die elektronische Sicherung ist Thema des Elektronik-Minikurses:

Die Tabelle mit R1 zeigt wie gross dieser Wert sein sollte, je nachdem wie gross die Summe des Stromes für den Operationsverstärker und für Z1 gewählt wird. Für andere Werte von +Ue (+Ub), aber auch für andere Werte der Strombelastung, müssen R1 und R3 angepasst werden. Oberste Grenze ist die Stromlieferfähigkeit des LMC555. Siehe im Datenblatt unter Electrical Characteristics unter Output-Voltage (High) und Output-Voltage (Low). Wenn zur Anwendung mehr als genug zusätzliche Spannung vorhanden ist, jedoch der Strom etwas zu knapp ist, darf man den Strom erhöhen und die zusätzliche Spannung sinkt dadurch etwas. Als Worstcase-Grenze gelten die Angaben in Absolute-Maximum-Ratings. Viel Spass beim Experimentieren...



Thomas Schaerer, 19.11.2004 ; 23.01.2005 ; 27.04.2006 ; 01.12.2008 ; 15.02.2015