Über eine Tonne Rohstoff pro PC!

 


Die Herstellung eines PC mit 17-Inch-Bildschirm benötigt 240 Kilogramm fossile Energieträger, 22 Kilogramm Chemikalien und 1500 Kilogramm Wasser insgesamt also 1,8 Tonnen Rohstoffe!

In Entwicklungsländern leben immer mehr Menschen von Elektronikschrott-Recycling. Bei der häufigen Entsorgung durch Verbrennen entstehen giftige Gase. Wertvolle Ressourcen werden verschwendet. Elektroschrott wird häufig verbrannt anstatt rezykliert. Die UN-Initiative StEP zur Verbesserung des Elektroschrott-Recycling ist angelaufen.


Solving the E-Waste Problem

Unter Federführung der United Nations University (UNU) und anderer UN-Organisationen fiel am 7. März 2007 der offizielle Startschuss für die weltweite Initiative Solving the E-Waste Problem (StEP). Dabei geht es darum, die Lebensdauer von Computern und anderer elektronischer Gebrauchsgegenstände zu erhöhen, die Umweltverschmutzung bei deren Entsorgung bzw. beim Recycling zu vermindern sowie die Wiederverwertung zunehmend wertvoller Bestandteile des Elektroschrotts zu verbessern. Die Eidgenössische Materialprüfanstalt (Empa) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) beteiligen sich von Schweizer Seite an der Initiative, die insgesamt mehr als 40 Mitglieder aus Industrie, Forschung, und Organisationen umfasst.


Verknappung seltener Elemente

Der Elektroschrottberg wächst weltweit in einem ungeheuren Tempo. Ausserdem werden gebrauchte Elektrogeräte, die in Entwicklungsländer verschickt werden, dort häufig nicht wieder in Gebrauch genommen, sondern illegal entsorgt - meist durch Verbrennen, was nicht nur die wieder verwertbaren Komponenten unwiederbringlich zerstört, sondern auch erheblich zur Umweltverschmutzung beiträgt. Neben Edelmetallen wie Gold, Palladium und Silber spielen seltene Elemente eine immer wichtigere Rolle bei der Herstellung elektronischer Bauteile. Beispielsweise Indium, ein Nebenprodukt des Zinkabbaus, das jährlich in mehr als einer Milliarde Elektroprodukten wie Flachbildschirmen und Handys verwendet wird. In den letzten fünf Jahren ist der Indiumpreis am Weltmarkt um das Sechsfache gestiegen - inzwischen ist es teurer als Silber. Obwohl die Vorräte langsam zur Neige gehen, wird das seltene Metall nur in wenigen Fabriken in den USA, Belgien und Japan rezykliert. Dabei deckt Japan rund die Hälfte seines Indiumbedarfs durch Recycling! Auch Wismut, das in bleifreien Loten zum Einsatz kommt, ist heute doppelt so teuer wie noch 2005. Und der Preis für Ruthenium, verwendet in Festplattenlaufwerken und elektrischen Widerständen, ist in nur einem Jahr um das Siebenfache gestiegen. Der massive Preisanstieg zeigt, dass die Versorgung mit diesen Elementen nicht auf ewig sichergestellt ist - es sei denn, wir etablieren endlich gut funktionierende Recyclingverfahren.


Umweltbelastungen

Ein unsachgemässer und gewissenloser Umgang mit Elektroschrott verursacht unzählige Umwelt- und Gesundheitsprobleme. Dazu gehören die extrem giftigen Dioxine, Furane und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs), die beim Verbrennen von PVC-Kunststoffen entstehen, aber auch Boden- und Wasserverschmutzung durch bromierte Flammschutzmittel (aus Platinen, Computergehäusen und Kabeln), polychlorierte Biphenyle (PCB; in Transformatoren und Kondensatoren) sowie durch Blei, Quecksilber, Kadmium, Chrom und andere Schwermetalle (u .a. aus Bildschirmen). Belastungen mit diesen Schwermetallen können zu Fehlentwicklungen des Nervensystems und zu Krebs führen. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern leben immer mehr Menschen vom Elektroschrott-Recycling. Meist findet dieses in Hinterhofwerkstätten statt, wo die Arbeiter erheblichen Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind. Ein weltweit verbindlicher Leitfaden zum Zerlegen von Elektroschrott und zur Maximierung der Recycling-Erträge ist eines der vorrangigsten Ziele.


Empa leitet Arbeitsgruppe

Verschiedene Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit diesen Themen sowie dem Aufbau der entsprechenden Infrastruktur und des Know-hows in den betroffenen Ländern. Die Empa-Abteilung "Technologie und Gesellschaft", die bereits seit mehr als drei Jahren im Auftrag des SECO im Programm "Wissenspartnerschaften im E-Schrott-Recycling" in Ländern wie Indien, China und Südafrika tätig ist, leitet unter Verantwortung von Rolf Widmer die Arbeitsgruppe "Recycling". Mit StEP werden dringende Forschungsprojekte angestossen und finanziert. Eine Diplomarbeit beschäftigt sich z. B. mit der Rückgewinnung von Gold aus Platinen durch "Hinterhof"-Recycling im indischen Bangalore.


Rasantes Schrottwachstum

Elektroschrott ist einer der am schnellsten anwachsenden Teile des weltweiten Müllberges und gleichzeitig einer der bedenklichsten. Laut europäischer Umweltbehörde wächst die Menge von jährlich nahezu 40 Millionen Tonnen rund dreimal schneller als jede andere Art von Hausmüll. Füllte man den jährlich anfallenden Elektroschrott in Müllwagen, ergäbe dies eine Schlange, die sich um den halben Erdball erstreckt. OECD-Zahlen ergeben für den globalen ICT-Handel im Jahr 2004 einen Umsatz von rund 2,2 Billionen CHF; das entspricht 7,7% des globalen Bruttosozialprodukts. Ende 2006 waren bereits 75 Prozent aller deutschen und japanischen Haushalte mit PCs ausgerüstet, dagegen nur 0,07 Prozent in Niger, 1,2 Prozent in Indien, 2,3 Prozent in Bolivien und 4,1 Prozent in China. Das Wachstumspotenzial für Elektrogeräte ist also enorm, vor allem in Entwicklungsländern.


Rohstoffintensive Herstellung

Eine längere Lebensdauer und die vermehrte Wiederbenutzung von Elektrogeräten würden auch helfen, die Umweltbelastungen bei der Herstellung zu verringern. Laut UNU werden für Durchschnitts-PC inklusive Bildschirm bei seiner Herstellung rund das Zehnfache seines Gewichts an fossilen Energieträgern verbraucht. Die Produktion eines Autos oder eines Kühlschranks verbraucht gerade mal das Ein- bis Zweifache des Produktgewichts.
Die Herstellung eines PC mit 17-Inch-Bildschirm benötigt 240 Kilogramm fossile Energieträger, 22 Kilogramm Chemikalien und 1500 Kilogramm Wasser - insgesamt also 1.8 Tonnen Rohstoffe !!!


Alle profitieren

Unternehmen, die sich an der StEP-Initiative beteiligen, profitieren durch weltweit einheitliche, sichere und umweltfreundliche Recycling- und Entsorgungsverfahren für Elektroschrott. Ausserdem sollten sich ihre Produkte in Zukunft leichter aufrüsten lassen. Denn ein neues Produkt zu kaufen, wenn eigentlich nur eine Komponente ersetzt werden sollte, ist äusserst verschwenderisch. Und die Konsumenten profitieren, weil sie einerseits Elektroprodukte mit längerer Lebensdauer erhalten, andererseits weil sie wissen, was sie mit ihren ausrangierten Produkten anfangen sollen. Das StEP-Logo auf Elektroprodukten soll signalisieren, dass der Hersteller in puncto Elektroschrott-Verwertung internationalen "Best practice"-Richtlinien genügt.


Quelle: Dieser Artikel erschien in der schweizerischen Elektronik-Fachzeitschrift MegaLink Precision in der Ausgabe 4-07. Dieser Artikel wurde zur Veröffentlichung in meinen Elektronik-Minikursen im Elektronik-Kompendium "das ELKO" mit dem Titelfoto freundlicherweise freigegeben.


Thomas Schaerer, 22.06.2007