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Einschätzung des Bedarfs an Elektronikentwicklern (Elektronik)
>> Die Zahl der Abiturienten und Studenten ist stark gestiegen und in den sogenannten MINT-Fächern sogar überpropotional, aber sind auch die Stellen gestiegen?
Die Anzahl der Abiturienten mag steigen, was aber m.E. mehr an einer Absenkung der Anforderungen liegt. Es ist politisch gewünscht, daß möglichst viele Jugendliche Abitur machen. Schließlich protzen auch die Landesbildungsminister gerne mit den entsprechenden Quoten. Ich frage mich schon lange, wie es sein kann, daß inzwischen jährlich fast 1000 Abiturienten in NRW einen Durchschnitt von 1.0 haben. Das ist einfach lächerlich! Nicht daß diese 1000 nicht das Abitur verdient hätten (vor 25 Jahren hätten sie es mit 2.0 auch bekommen), aber was ist mit den 10000, die heute eine 4 im Durchschnitt haben? Daß die mit ihrem Abitur auch an die Hochschulen streben, ist dann verständlich und gerade in diesem Jahr mit den doppelten Jahrgängen sind die Eingangssemester überfüllt. Zumindest in den MINT Fächern wird sich dennoch in den ersten Semestern die Spreu vom Weizen trennen. Freilich gibt es mit dem Bachelor nur auch den Ingenieur-light.
>> Die vorgetragenen Kritikpunkte lauten oft, in der Elektronik werden oft Auftragspakete komplett in das Ausland verlagert, Neueinstellungen vermehrt über Dienstleister getätigt und ältere Ingenieure aufs Abstellgleis geschickt.
Meine Firma (Halbleiterhersteller) lässt viel im Ausland entwickeln. Neueinstellungen gibt es, aber es ist nicht gerade ein Boom. Auch von älteren Ingenieuren wird selbstverständlich erwartet, daß sie sich fortbilden. Wer bei der Barkhausen-Formel stehengeblieben ist und für wen Verilog, Modelsim und Spice Teufelszeug sind, der sollte sich nicht wundern, wenn er auf dem Abstellgleis landet.
>> Einerseits suchen Firmen verstärkt im Ausland nach Entwicklern, die Einstiegsgehälter für Absolventen steigen kaum und liegen hinter denen früheren Jahrgängen stark zurück, wenn man die Teuerung zugrunde legt.
Das ist so. Ich setze als einfachen Vergleich immer gerne die Kosten für den Frisör an. Als ich vor 25 Jahren als Ingenieur anfing, bezahlte ich 15 DM für einen Haarschnitt, jetzt zahle ich 18 Euro. Ein Ingenieur, der heute in derselben Situation ist wie ich damals, bekommt aber weniger als das Gehalt in Euro, das ich seinerzeit in DM bekam. Durch die kalte Progression zahlt er außerdem mehr Steuern. Ingenieure haben also durchaus verloren. Das hat viele Ursachen, es sind aber am Ende schlichtweg die Marktgesetze. Wenn wir MP3-Player und 16GB USB Sticks für 10€ kaufen wollen, dann kann der Ingenieur dafür nicht fürstlich entlohnt werden. Außerdem sind, um es vorsichtig zu formulieren, die Ingenieure anderer Länder auch gut ausgebildet und "willig". In einer Telco vor wenigen Tagen wurden einige meiner Kollegen unruhig, als es auf halb vier zuging, weil sie nach Hause wollten. Peinlich wurde es, als der Kollege aus Tokio anmerkte, daß er nun auch weg müsse, weil seine letzte Bahn kurz vor Mitternacht fährt. Es fehlt uns in Europa und übrigens auch in den USA mitunter am Wettbewerbsvorteil.
>> Andererseits gehen in manchen Bereichen die Gehälter durch die Decke und es finden sich trotzdem kaum Leute.
Daß es nicht leicht ist, gute Leute zu finden, habe ich oben schon geschrieben. Daß die Gehälter "durch die Decke gehen", kann ich nicht bestätigen. Falls das tatsächlich so ist, dürfte das eine große Ausnahme sein.
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