Relaisbetrieb an 230 VAC, auch mit 48VDC-Relais

 


Einleitung

Gleich zum Voraus ein paar Definitionen, wie ich sie hier und in den andern Elektronik-Minikursen bei Spannungsangaben verwende: VAC oder VACeff bedeutet effektive Wechselspannung. VDC oder VDCeff rippelfreie Gleichspannung (z.B. Batterie, Netzteil) oder den Effektivwert einer pulsierenden Gleichspannung (z.B. Gleichrichtung ohne Ladeelko). Vp bedeutet die Scheitel- bzw. Spitzenwertspannung einer pulsierender Gleichspannung oder einer Wechselspannung. Vpp ist die Spannung zwischen dem positiven und negativen Maximum einer Wechselspannung oder die maximale Differenz bei einer Rippelspannung, die einer Gleichspannung überlagert ist, wie man dies z.B. bei der Spannung an einem Lade-Elko in nach der Gleichrichtung kennt. Unter pulsierender Gleichspannung ist in der Regel, und so auch hier, eine halbwellen- oder vollwellengleichgerichtete Sinusspannung zu verstehen (Bild: Wiki).

Anstelle von Gleichspannung liest man hier meist DC-Spannung und von Wechselspannung AC-Spannung. Das Gleiche gilt für den Strom, wobei hier u.a. bei den Relaisstromwerten immer nur mA steht. Mit dem Effektivwert ist hier stets der TrueRMS-Wert (TRMS) zu verstehen. Wobei genau genommen ist TRMS das selbe wie RMS. Dazu liest man in den genannten Wikiseite folgendes: Für Messgeräte, die den Effektivwert tatsächlich gemäß seiner Definition bestimmen, wird zur Verdeutlichung gelegentlich werbewirksam behauptet, dass sie den "echten Effektivwert" (englisch TRMS, T für true) messen; ein Effektivwert kann aber nicht echt oder unecht oder true sein.

Gemäss dieser Tatsache, liest man im weiteren Verlauf RMS anstelle von TRMS. Die RMS-Spannung einer Sinus-AC-Spannung zu messen, ist mit einem Billig-Multimeter durchaus möglich, weil solche Instrumente dafür geeicht sind. Für nicht sinusförmige AC-Spannungen sind die Messwerte falsch und dies erst recht für pulsierende DC-Spannungen, wovon hier oft die Rede ist. Es gibt aber Multimeter die RMS-Werte von nicht sinusförmigen AC-Spannungen korrekt messen und darunter sind solche die gar nicht mehr so teuer sind wie früher.

Hat man ein Digital-Oszilloskop mit zusätzlich numerischen Messwertanzeigen auf dem Display zur Verfügung, kann man in der Regel auch RMS-AC- und RMS-DC-Spannungen messen. So ist es bei meinem PM3394A von Philips(Fluke) mit seinem Alter von 26 Jahren (Februar 2019). Das Angenehme an diesem alten Oszi ist, dass man mit einem Knopfdruck während der Messung zwischen analoger und digitaler Messung umschalten kann.

Geschäftliches: Philips(Fluke) bedeutet, dass Fluke etwa um 1993 "Test & Measurement" (T&M) von Philips kaufte. Das Oszi PM3394A ist mit Philips angeschrieben, hat allerdings eine Klebe-Etikette mit der Aufschrift FLUKE auf der Oberseite des Gehäuses. Warum Philips die Produktion von Oszilloskopen aufgegeben hatte, könnte daran liegen, dass man mit den älteren Philips-Oszi oft lästige Triggerprobleme hatte. Dies ist sogar allgemein bekannt. Wenn jemand der älteren ELKO-Leser ebenso diese Erfahrung machte, würde mich dies interessieren mit einer kurzen EMail an mich.

Praxisnähe: Es stellt sich die Frage, ob dem Hobbyelektroniker, der sich keine teuren, bzw. neuen Messinstrumente leisten kann oder will, dieser Elektronik-Minikurs etwas nützt. Eindeutig ja! Es wird erklärt, wie man die Relaisschaltung, auch ohne eine DC-RMS-Messmöglichkeit, mittels empirischer Methode optimieren kann und ganz ohne diese Methode, mit der grösstmöglichen Praxisnähe, geht es sowieso nicht, wie wir noch sehen werden.

Regeltrafo und Trennfrafo: Um die Experimente durchzuführen, die hier gezeigt werden, benötigt man einen Variac. Falls dieser Begriff nicht bekannt ist, alternative Begriffe sind Regeltrafo und Stelltrafo. Ein luxuriöser Variac hat eine digitale Spannungsanzeige. Preisgünstiger sind solche mit unpräziser Spannungskalierung auf der runden Scheibe unterhalb des Drehknopfes. Die exakte AC-Spannung muss man halt mit einem Multimeter messen. Foto eines solchen Variac:

Die meisten preisgünstigen Variacs sind Spartrafos, d.h. es gibt nur eine Primär- und keine Sekundärwicklung. Man bezeichnet solche Trafos auch Autotrafo. Die Primärwicklung ist auch die Sekundärwicklung. Deshalb gibt es keine galvanische Trennung! Man benötigt zum Experimentieren auf jeden Fall auch einen Trenntrafo, der zwischen der 230-VAC-Netzspanung und dem Variac geschaltet wird. Man kann auf einen Trenntrafo verzichten, wenn der Variac selbst als Trenntrafo ausgeführt ist, also eine Primär- und eine Sekundärwicklung enthält. Solche Variacs sind allerdings sehr teuer. Es empfiehlt sich daher besser ein Trenntrafo und ein preiswerter Variac als Autotrafo zu kaufen. Das ist auch flexibler, weil man für viele Testanwendungen gar keinen Variac benötigt und es auch Testanwendungen gibt, die berührungssicher sind und ein als Autotrafo ausgeführter Variac alleine genügt. Dies gilt allerdings nicht für die Experimente die hier gezeigt werden! Hier benötigt man einen Trenntrafo und einen Variac, wie dies Bild 1 schematisch illustriert:



ACHTUNG: Netzspannung!!!   Lebensgefahr!!!   Nichts für Anfänger!!!

Die Schaltungen in diesem Elektronik-Minikurs arbeiten mit 230-VAC-Netzspannung. Es ist höchste Vorsicht geboten! Alle Manipulationen mit diesen Schaltungen müssen stets mit einem TRENNTRANSFORMATOR durchgeführt werden! Die Schaltung muss berührungssicher nach SEV-, bzw. VDE-Norm, realisiert und in ein Gehäuse eingebaut werden!

Der Nachbau solcher Schaltungen sind für Anfänger oder Bastler ohne notwendiges Wissen im Umgang mit der 115/230-VAC-Netzspannung ungeeignet!!! Nachbau, Tests, Manipulationen und Einsatz erfolgen stets auf eigenes Risiko!!!



Gestern - Heute - Morgen

So der Titel eines berühmten Dreiteilers der Star-Trek-Serie "The Next Generation" mit Captain Jean Luc Picard und dem zynischen Gott Q als Hauptakteure. Hervorragend gespielt und der Inhalt faszinierend für diejenigen die sich für solches interessieren, wobei man deswegen noch lange kein Trekkie sein muss. Faszinierend, der oft ausgesprochene Ausdruck des Vulkaniers Mister Spock, ist die Technik nicht erst im 23. oder 24. Jahrhundert, im Zeitalter des WARP-Antriebes (Video mit Astrophysiker Harald Lesch). Faszinierend war die Elektrotechnik (Elektronik) schon immer, sie ist es heute und sie wird es (hoffentlich) auch noch morgen sein.

Warum diese einleitenden Worte zu einem Elektronik-Minikurs, der sich mit Relaistechnik befasst? Ganz einfach, das Relais war schon in der frühen Epoche der Elektrotechnik im praktischen Einsatz. Dieser elektromagnetische Schalter wurde ständig weiter entwickelt. Ein kleines modernes Print-Relais im Dual-Inline-Format, verbraucht eine Spulenleistung von 0.75 VA (AC-Relais) und es gab auch solche Relais mit nur 0.2 W (DC-Relais). Gab, weil, als ich mit diesem Elektronik-Minikurs als Update begann (Februar 2019), stellte ich fest, dass es diese DC-Relais-Typen mit 0.2 W nicht mehr gibt. Nur noch solche mit einer Mindestleistung von 0.4 W. Solche Relais beider Leistungsklassen schalten Ströme bis zu 10 A und Leistungen von mehr als 1000 VA . Da die Elektronik-Minikurse nicht für Elektronik-Anfänger realisiert sind, änderte ich die Schaltungen mit 0.2W-DC-Relails nicht. Die Anpassung der Komponenten im Bereich des Relais kann der Leser, im Falle eines Nachbaus, leicht selbst vornehmen. Und so sicher es auch wieder nicht, ob man nicht doch eine Quelle mit 0.2W-DC-Relails findet. In diesem Fall bitte eine kurze EMail an mich.

Trotz als wie ausgefeilter die Technik moderner Halbleiterschalter (z.B. Solid-State-Relay) auch ist und sich weiterentwickelt, wird sich das elektromechanische Relais auch in (naher) Zukunft seinen Platz sichern. Vor allen dann, wenn die Schalthäufigkeit relativ gering ist und/oder weil es betreffs der Kontakte in der Regel dort keinen Überspannungsschutz bedarf, wo es bei elektronischen Schaltern zwingend notwendig ist.

In diesem Elektronik-Minikurs geht es um den Einsatz von Relaisschaltungen im 230-VAC- und im 115-AC-Netzbetrieb (USA), wobei eine Methode mit einem DC-Relais (Relais mit Gleichstromspule) und eine andere mit einem AC-Relais (Relais mit Wechselstromspule) erklärt und in praktischen Schaltungen vorgestellt wird. Es gibt Elektronik-Minikurse mit praktischen Anwendungen, die sich auf die Grundlagen dieses Elektronik-Minikurses stützen. Mehr dazu im letzten Kapitel "Linkliste".

Übrigens, wer noch immer den Eindruck hat, ich habe diesen Elektronik-Minikurs mit einer Märchenstunde begonnen, dem möchte ich das Buch "Die Physik von Star-Trek" von Lawrence M. Krauss empfehlen. Das Vorwort stammt vom prominentesten Star-Trek-Fan überhaupt: Stephen Hawking, der sogar einen Gastauftritt in einer TV-Episode von Strar-Trek: The Next Generation hatte...



Gestern

Die 1950er- und 1960er-Jahre standen betreffs Elektronik noch fast ganz im Zeichen der Röhrentechnik. Während die Vakuum-Elektronenröhre fast ganz für die Analogtechnik da war, gab es auch die Kaltkathoden-Relaisröhre im Einsatz mit Relais für die Steuerungstechnik. Es gab alternativ das Kaltkathoden-Thyratron, das in meinen Geschichte-Elektronik-Minikursen nicht thematisiert wird. Hier abgebildet die damals sehr beliebte GT21 von Cerberus.

Bevor es weitergeht noch etwas zur Geschichte des Relais, dessen Erfinder (angeblich) Joseph Henry heisst, geboren am 17.12.1797 in Albany, New York, USA. Im Jahre 1835 erfand Henry das elektromagnetische Relais. Mehr Details dazu hier:

Mein Geschichte-Elektronik-Minikurs Kaltkathoden-Röhren I thematisiert an praktischen Schaltungen ein wenig diese historische Epoche. Der Unterschied zwischen diesen beiden Röhrentechnologien besteht darin, dass in der Vakuum-Elektronenröhre Elektronen, von einem Gitter spannungsgesteuert, von der negativ geladenen Glühkathode zur positiv geladenen Anode strömen und dies den variablen Anodenstrom erzeugt, während in der Kaltkathoden-Relaisröhre ein positiver Ionenstrom von der Anode zur Kathode fliesst, der mittels Steuerelektrode oder Gitter (Thyratron) gezündet und durch kurzzeitiges Unterbrechen des Ionenstromes abgeschaltet wird. Kaltkathoden-Röhren wurden in diesen zwei Jahrzehnten für die vielseitigsten Relaissteuerungen eingesetzt und dies oft direkt an der 220-VAC-Netzspannung. Damals betrug die Netzspannung noch nicht 230 VAC. Für diese hohe Spannung kamen Relais mit Spulen für DC- und AC-Strom zum Einsatz. Da einfacher, liest man im weiteren Verlauf anstelle von Kaltkathoden-Relaisröhre Kaltkathodenröhre.

Zu diesem Thema ein Ausschnitt aus der damaligen Hauszeitschrift vom Januar 1959 von der Firma CERBERUS, die damals neben den Feuermeldern (Rauchmelder mit redioaktiver Americiumquelle), Kaltkathoden-Relaisröhren, Kaltkathoden-Thyratrons und Kaltkathoden-Stabilisatorröhren herstellte. Der folgende nostalgische Inhalt beschreibt etwas, das auch im weiteren Teil dieses Elektronik-Minikurses seine Bedeutung haben wird. Es geht um die gleichgerichtete Halbwellensteuerung von Relais:

    Relais für Wechselstrombetrieb

    Kaltkathoden-Röhren werden mit AC-Spannung so betrieben, dass sie als Gleichrichter wirken, d.h. nur bei positiver Anode und negativer Kathode zünden und Strom leiten. Es können deshalb Gleichstromrelais verwendet werden. Da jedoch nur während eines Teiles der positiven Halbwelle ein Strom fliesst, muss mit Hilfe einer Abfallverzögerung dafür gesorgt werden, dass das Relais während der folgenden Strompause nicht abfällt. Damit das gelingt, sind jedes Mal recht hohe Momentanwerte des Stromes nötig. Die Dimensionierung der Relaisspule hängt also mit der Dimensionierung der verwendeten Verzögerung zusammen. Statt durch Rechnen bestimmt man die Spulendaten besser auf empirischem Wege, wobei der Anhaltspunkt, der mittlere durch die Röhre fliessende Strom dient. Er wird mit einem normalen Gleichstrominstrument gemessen und soll den für jede Röhre auf dem Datenblatt angegebenen Werten für Wechselstrombetrieb entsprechen. Eine gute Abfallverzögerung ergibt sich automatisch bei thermischen (Bimetall-)Relais; man hat dann aber eine entsprechende, meist unerwünschte Anzugsverzögerung mit in Kauf zu nehmen. Für die Verzögerung des Abfalles bei elektromagnetischen Relais sind allgemein folgende Methoden bekannt:

    a) Zusätzliche Kurzschlusswicklung.
    b) Zur Spule parallel in Sperrrichtung geschaltete Diode. (Freilauf-Diode)
    c) Zur Spule parallel geschalteter Kondensator.

Soviel, inklusive Bild 2, aus der CERBERUS-Hauszeitschrift Nummer 9 aus dem Jahr 1959 (CH/Männedorf). Bild 2 zeigt eine nostalgische Lichtsteuerung in Hellschaltung, durch das Zünden der Kaltkathoden-Röhre bei Beleuchtung des Fotowiderstandes FW. Unterhalb einer kritischen Beleuchtungsstärke zündet die Steuerelektrode S nicht mehr. Der Ionenstrom zwischen Anode und Kathode erlischt während des Spannungsnulldurchganges und zündet bei der folgenden positiven Halbwelle nicht mehr, bis es wieder hell genug ist.

Die Zündung zum Ionen-Stromfluss von der Anode A zur Kathode K erfolgt sekundär durch die Zündung zwischen der Steuerelektrode S und Kathode K. Wenn die Leuchtstärke beim FW zunimmt, sinkt der FW-Widerstandswert. FW, R2 und P bilden einen Spannungsteiler und erzeugen die Spannung Us. Us steigt bis zur S/K-Zündspannung und ladet dabei C1 durch R1. Beim Erreichen der S/K-Zündspannung, entladet sich C1 von S nach K sehr schnell, weil der S/K-Übergang momentan sehr niederohmig ist. Dies zündet durch diese Ionisierung des Gases den Ionenstrom von A nach K und es fliesst dieser Strom im 10-mA-Bereich durch die Relaisspule, bis der momentane positive Sinuswert der Netzspannung einen kritischen Minimalwert unterschreitet. Das Ganze beginnt von Neuem, wenn die positive Halbwelle der Netzspannung erneut ansteigt und dabei Us die Zündspannung erreicht.

Wichtig ist, dass das Relais während dem Stromunterbruch stabil angezogen bleibt, soll heissen auch nicht flattert oder brummt. Die Kurzschlusswicklung ist mit einem dicken senkrechten Strich bei der Relaisspule neben dem Kontakt symbolisch angedeutet. Sie ist nicht etwa eine zusätzliche Wicklung mit vielen Windungen auf dem selben Spulenkörper. Sie besteht aus einem dicken Kupferring, der in einen so genannten Spaltpol in den Weicheisenkern eingepresst ist, und so für den genügend hohen Kurzschlussstrom sorgt, damit auch im Spannungsnulldurchgang noch genügend magnetische Kraft auf den Relaisanker wirkt und dieser deshalb angezogen bleibt. Deshalb befindet sich dieser Spaltpol mit der Kurzschlusswindung auf der Ankerseite. Dieser Trick verhindert wirksam das Fibrieren des Ankers und der Kontakte bei AC-Strom oder pulsierendem DC-Strom.

Wichtiger Hinweis: Ältere Leser solcher Artikel, die selbst diese Elektronik-Epoche erlebt haben, wünschen sich oft Informationen von damals. Ich habe leider nichts zum Verteilen und das Wenige das ich habe zu kopieren und zu versenden ist zu aufwändig. Es bringt auch nichts bei CERBERUS anzufragen. Die Leute dort haben keine Ahnung mehr und verstehen nicht was man eigentlich haben möchte. Es liegen zu viele Generationen der Elektrotechnik dazwischen. Ich hab dies selbst versucht...



Heute und morgen...

Das DC-Relais im Einsatz

Anstelle einer gleichrichtenden Kaltkathoden-Röhre haben wir es hier mit gleichrichtenden Halbleiterdioden zu tun. Es kommt in dem Sinne auf das selbe heraus, dass das Relais eine mit Halbwellen gleichgerichtete DC-Spannung erhält. Wir befassen uns zunächst mit einem leistungsarmen DC-Relais mit einer möglichst hohen Spulen-DC-Nennspannung, das relativ häufig auf dem Markt (unterschiedliche Hersteller und Produkte) erhältlich ist. Dadurch sorgt man vor, dass bei einer direkten Anwendung mit 230 VAC möglichst wenig Verlustleistung entsteht. Danach experimentieren wir mit einem AC-Relais mit einer Spulen-AC-Nennspannung von 230 VAC und stellen fest, dass auch dieses Relais mit einer mit Halbwellen gleichgerichteten DC-Spannung sehr gut arbeiten kann, wenn geeignete Massnahmen ohne grossen Aufwand getroffen werden.

Wir befassen uns in Bild 3 zuerst mit der Dimensionierung einer Schaltung mit einem DC-Relais, in der, wie im nostalgischen Cerberus-Artikel beschrieben, auch das Empirische seinen berechtigten, ja sogar notwendigen Stellenwert hat:

Die Spannungsangaben in der Schaltung in Bild 3, aber auch bei allen weiteren Schaltungen in den folgenden Bildern, beziehen sich, wenn nicht anders vermerkt, stets auf den Referenzpegel, der mit REF bezeichnet ist. REF ist identisch mit dem Null-Leiter N des 230-VAC- oder einer andern Netzspannung, wie z.B. 115 VAC (USA). Die Schaltung funktioniert auch beim Vertausch von P und N. Das ist sogar leicht möglich, wenn ein Stecker mit nur zwei Kontaktstiften zum Einsatz kommt. Siehe Steckerbild rechts "ohne Erdleiter".

In Bild 3 kommt ein kleines Dual-Inline-DC-Relais mit einer Nennspannung von 48 VDC zum Einsatz, das mit 0.2 W Spulenleistung auskommt.
ACHTUNG! Dieser Relais-Typ gibt es seit Januar 2019 nicht mehr. Es gibt weiterhin Relais mit einer Spulenspannung von 48 VDC, jedoch mit einer Leistung von 0.4 W. Ich finde von den 0.2W-Typen auch keine Relais bei andern Herstellern. Der Aufwand zur Umgestaltung ist zu gross. Deshalb gelten Beschreibung und Schemata weiterhin dem 0.2W-Typ für den Fall, dass es doch noch solche Relais irgendwann geben soll. Der Leser muss durch Umrechnen und Experimentieren selbst eine Umdimensionierung für den 0.4W-Typen vornehmen. Es betrifft in Bild 3 Rx und Cx. Rx besteht aus Rx1 und Rx2. Weil der Spulenstrom doppelt so gross ist, kann man es mit den halben Werten von Rx1 und Rx2 und mit dem doppelten Wert von Cx testen. Es kann jedoch auch eine gewisse Abweichung geben, bedingt durch die Relaismechanik. 0.4W statt 0.2W verdoppelt den Strom durch Rx (Cx-Anpassung nur annähernd berücksichtigt!). Die Verlustleistung von Rx1 und Rx2 erhöht sich zu je auf etwa 0.9 W. Dies macht diese Schaltung unattraktiv, was zur Folge hat, dass sich ein 48-VDC-Relais für den 230VAC-Betrieb nicht mehr eignet.

Es geht also weiter mit dem 0.2W-Relaistyp. Der Nennstrom des Relais beträgt 4.2 mA. Vor der Diode D1 liegt die volle AC-Spannung von 230 VAC zur Referenz REF (N). Die genau gleich grosse Effektivwert-DC-Spannung hätte eine Vollweggleichrichtung aus dieser AC-Spannung zur Folge. Der niedrige Spannungsabfall am Brückengleichrichter ignorieren wir hier. Bei der Einweggleichrichtung, wie ihn Bild 3 mit D1 zeigt, fallen die Hälfte aller positiven Sinushalbwellen weg und das reduziert die effektive DC-Spannung auf einen Wert, der sich aus der effektiven DC-Spannung der Vollweggleichrichtung dividiert durch die Quadratwurzel von 2 ergibt. Die effektive DC-Spannung der einweggleichgerichteten Spannung aus 230 VACeff beträgt daher 163 VDCeff. Der genaue Zusammenhang dieser Spannungen illustriert weiter unten Bild 4.

Über der Relaisspule soll eine effektive DC-Spannung von 48 VDC betragen. Da wir zwecks Betriebsanzeige gleich eine hochempfindliche Low-Current-LED_(runter_scrollen!) in Serie zur Relaisspule schalten, erhöht sich über Spule und LED die Spannung auf etwa 50 VDC. Rx berechnet sich nach dem einfachen ohmschen Gesetz, in dem man die effektive Restspannung von 113 VDC durch den Strom von 4.2 mA dividiert. Rx berechnet sich auf einen Wert von 28.3 k-Ohm.

Nun aber STOP! So einfach geht es nur dann, hätten wir es mit einer reinen DC-Spannung zu tun. Das ist aber längst nicht der Fall. Das Relais erhält wegen der Halbwellengleichrichtung einen pulsierenden DC-Strom und dieser erzeugt in der Spule eine nicht zu vernachlässigende Selbstinduktionsspannung dann, wenn die Halbwellenspannung nach dem Scheitelwert wieder kleiner wird. Wir haben es mit der Relaisspule und seinem Weicheisenkern nicht einfach mit einem ohmschen Widerstand zu tun. Es ist eine Impedanz, genauer Induktanz, und die ist höher als der ohmsche Spulenwiderstand. Und das heisst, das beim vorgesehenen Relaistyp die Restspannung nicht 113 VDC sondern nur 107 VDC beträgt, weil der effektive DC-Strom niedriger ist als diese 4 mA. Und dazu kommt, dass der Relaisanker und die Kontakte im Rythmus von 50 Hz massiv flattern (ohne Cx).

Und jetzt wird's, wie bereits weiter oben angedeutet, empirisch! Man schaltet parallel zu LED und REL einen Kondensator, dessen Kapazität so gross gewählt wird, dass die diese Halbwellen-Sinusspannung über Relaisspule und LED auf eine Rippelspannung teilgeglättet wird, so dass diese einen Betrag hat von etwa der Nenn-Spulenspannung des Relais von 48 VDC, wie dies in Bild 3 das Diagramm "mit Cx = 1µF" zeigt. Die Rippelspannung über Cx hat dabei etwa den selben Peak-to-peak-Wert, nämlich etwa 48 Vpp.

Diese teilgeglättete Rippelspannung erreicht den unteren Wert von 0 V an der Relaisspule nicht, was auch richtig ist. Die untere Rippelspannung sollte noch geringfügig höher sein, als die Abfallspannung des Relaisankers, damit das Relais sicher nicht zum Flattern neigt. Die Spannung zwischen Maximum und Null an Relaispule und LED und somit an Cx liegt bei etwa 62 Vp. Man sollte für Cx eine Nennspannung von 100 V vorsehen. Als Elektrolytkondensator ist Cx, mit Werten wie angegeben, mechanisch sehr klein. Mit dem angegebenen Relaistyp von FINDER erreicht man die eben erwähnte Spulenspannung bei ziemlich genau mit Cx = 1 µF, sofern man den vorher errechneten Wert für Rx empirisch von 28 k-Ohm auf 20k-Ohm reduziert. Dieses Beispiel zeigt, wie man mit einem Relais mit andern Spannungs- und Stromdaten abweichend empirisch vorgehen kann. Aus Sicherheitsgründen sollte man beim Experimentieren unbedingt mit einem 230VAC-Trenntrafo arbeiten, wie es in der Einleitung mit Bild 1 erklärt ist. Den Variac benötigt man um beim Experimentieren die AC-Spannung zu variieren.

Wie gross ist die Verlustleistung über Rx? Durch den Einsatz von Cx reduziert sich die Impedanz, gegeben durch Relaisspule mit angezogenem Anker und Cx soweit, dass sich die Restspannung über Rx von 113 VDCeff auf etwa 130 VDCeff erhöht. Während der effektive Strom durch die Relaisspule zwar gerade 4 mA ausmacht, liegt der Strom durch Rx bei 6.5 mA. Der Glättungsstrom durch Cx steuert seinen Anteil dazu bei. Die Verlustleistung über Rx berechnet sich also aus diesen 130 VDCeff und den 6.5 mA. Die Verlustleistung beträgt 0.85 W. Da 1/2-Watt-Widerstände zur leicht erhältlichen Billigware gehören, empfiehlt sich für Rx zwei Widerstände Rv1 und Rx2 von je 10 k-Ohm und 0.5 Watt in Serie zu schalten.

Der Strom durch die Relaisspule ist zur Spulenspannung phasenverschoben (induktiv). Das selbe gilt für den Strom durch Cx in Relation zur Spannung über Cx (kapazitiv). Der Strom durch den rein ohmschen Widerstand Rx ist zur Spannung über Rx nicht phasenverschoben. Dies vereinfacht die Leistungsberechnung von Rx.

Weshalb diese empirische Schaltunsgsentwicklung? Ganz einfach, weil es mit den Informationen des Datenblatt eines Relaisherstellers absolut unmöglich ist, das Impedanzverhalten irgend eines Relais zu berechnen. Komplex ist das Ganze in dem Sinne, dass die Impedanz (Induktanz) nicht konstant ist. Sie hat unterschiedliche Werte, je nachdem ob der Relaisanker offen, im Augenblick des Anziehen oder Abfallens oder geschlossen ist. Es bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als die Schaltung zunächst so zu berechnen, als ob man sie mit einer reinen DC-Spannung einsetzt. Eine Art grobe Annäherung. Danach erfasst man empirisch wie gross die Kapazität von Cx und Rx sein soll mit einem Versuchsaufbau. Aufwändig ist diese Methode in diesem Anwendungsfall keineswegs. Mit einem andern DC-Relais mit abweichenden Daten werden die Werte von Cx und Rx ebenfalls abweichen. Wenn auch nicht gerade billig, eignen sich für solche Versuche so genannte Widerstands- und Kapazitäts-Dekaden. Trotzdem ist dies eine einmalige Anschaffung die sich für den Elektronik-Praktiker auf jeden Fall lohnt!

Es stellt sich noch die Frage, wozu es einen Variac braucht? Damit kann man festellen, bei welcher Unterspannung das Relais sicher anzieht. Für eine Netzspannunng von 230 VAC sollte diese Minimalspannung bei etwa 190 VAC liegen. Das sind knapp 20% Unterspannung. Es darf problemlos auch weniger sein. Im Kapitel "Das AC-Relais im Einsatz" liegt die minimale Anzugsspannung bei weniger als der halben Nennspannung. Wenn dadurch, das Relais bei Nennspannung auch die Nennleistung aufweist, ist das völlig in Ordnung.

Der empfohlene MOSFET T BSS125 zur Ansteuerung des Relais REL ist ein so genannter SIPMOS von Siemens, ein N-Kanal-Typ mit einer offenen Drain-Source-Spannung von 600 V, einem maximalen Drainstrom von 0.1 A und einem Drain-Source-Widerstand, im eingeschalteten Zustand, von 45 Ohm.

Bild 4 illustriert die Spannungsverhältnisse zwischen der AC-Sinusspannung, der vollweg- und einweggleichgerichteten Sinusspannung unter der Berücksichtigung der effektiven Spannung Urms (RMS) und der Spitzenspannung Up. Teilbild 4.1 zeigt die Vollweg- und Teilbild 4.2 die Einweggleichrichtung. Die Verluste durch den Brückengleichrichter BG und der einzelnen Gleichrichterdiode D vernachlässigen wir. Das ist hier auch durchaus realistisch, weil die Sinusspannungswerte um einen Faktor von mehr als 100 grösser sind als die die Duchflussspannung von zwei in Serie geschalteten gleichzeitig leitenden Dioden im Falle von BG.

Wie gross ist die effektive DC-Spannung, wenn man eine effektive AC-Spannung vollweggleichrichtet? Sie ist genau gleich gross, weil pro Periode ebenso zwei Sinushalbwellen mit der selben Spitzenspannung und der gleichen Frequenz eine Last speisen. Eine Glühlampe leuchtet gleich hell, ob sie an 230 VACeff oder an 230 VDCeff angeschlossen wird. Damit zeigt sich auch, dass die Leistung unverändert bleibt. Das kann auch gar nicht anders sein, denn wo soll denn eine Leistungsdifferenz zu finden sein. In Teilbild 4.1 ist die Spannungs- und Stromfrequenz bei der DC-Spannung doppelt gross wie bei der AC-Spannung vor der Gleichrichtung. Nennen wir das die Leistungsfrequenz, die unverändert bleibt. In beiden Anwendungen AC und DC leuchtet eine Glühlampe gleich hell und sie flackert nicht sichtbar, weil die Leuchtfrequenz mit 100 Hz dafür zu hoch ist.

Betrachten wir die Situation der Einweggleichrichtung (Teilbild 4.2), die nur Halbwellen erzeugt. Weil jede zweite Sinushalbwelle ausbleibt, gibt es pro Periode anstatt zwei nur eine halbe Sinusspannungsfläche und das bedeutet, dass sich die Leistung halbiert. Da eine Sinushalbwelle pro Periode nur die halbe Leistung erzeugt, bedeutet dies, dass die effektive DC-Spannung der einweggleichgerichteten Spannung nur einen Wert hat, die sich aus der Effektivwertspannung der Vollweg-DC-Spannung oder der AC-Spannung dividiert durch die Quadratwurzel von 2 ergibt, entsprechend der Gleichung 2.

Weil das Verhältnis von Spitzenspannung (325 Vp) zum Effektivwert der AC-Spannung (230 VACeff) oder Vollweg-DC-Spannung (230 VDCeff) sqrt(2) beträgt und zwischen der effektiven Vollweg-DC-Spannung (230 VCDeff) oder der effektiven AC-Spannung (230 VACeff) und der effektiven Einweg-DC-Spannung (163 VDCeff) ebenfalls sqrt(2) beträgt, ist diese effektive Spannung der Einweg-DC-Spannung genau halb so gross wie die Spitzenspannung (325 Vp).


Das AC-Relais im Einsatz

Bild 5 zeigt ein ganz bestimmtes 230-VAC-Relais der Firma Schrack. Die genauen Daten entnehme man in Bild 6. Man beachte dabei auch auf einen wichtigen Hinweis!

Wie in Bild 6 zu erkennen ist, wird dieses 230VAC-Relais von SCHRACK nicht mehr hergestellt. Alternatives mit den selben Spulenwerten gibt es von FINDER. Für dieses 230VAC-Ersatzrelais informiert man sich im Datenblatt FINDER-Leiterplatten-Relais. Es gibt bei FINDER Relais mit einer Spulenspannung von 230 VAC, ebenfalls mit einer Spulenleistung von 0.75 VA, entprechend einem AC-Strom von 3.2 mA und einem Spulenwiderstand von 32.5 k-Ohm, zu lesen in der Tabelle "AC-Ausführung" auf Seite 3 des Datenblattes. Den geeigneten Distributor muss man selbst evaluieren. Evtl. nachfragen beim Hersteller. Mit dieser Alternative ändert sich nichts am ursprünglichen Inhalt zu den Schaltungen mit diesem Relaistyp.

Es geht also darum, einen einfachen praktischen Weg zu zeigen, wie man eine solche AC-Relaisschaltung mit einer, mit Halbwellen gleichgerichteten DC-Spannung, dimensionieren und betreiben kann. Wir beginnen mit Teilbild 5.1, das uns zeigt, wieviel Strom das Relais bei normalem Betrieb an 230 VAC aufnimmt. Es sind 3.2 mA. Wir müssen stets auch wissen bei welcher minimalen Spannung das Relais anzieht (nicht abfällt!). Man fährt die Netzpannung mit dem Variac soweit hinunter, bis das Relais sicher abfällt. Danach erhöht man die Netzspannung und man notiert sie, wenn das Relais sicher anzieht. Beim hier verwendeten Relais liegt diese Spannung bei 105 VAC. Den Test führte ich nur mit einem Relais durch, weil ich kein weiteres hatte, und das bedeutet, es gibt gewisse Exemplarstreuungen. Allerdings ist diese vernachlässigbar, wenn die Toleranzen so gross sind, wie diese Messung zeigt und völlig normal ist. Weil für eine 230VAC-Anwendung, sollte das Relais bei mindestens 5 % Unterspannung, also bei 218 VAC sicher einschalten. In ländlichen Regionen sollte man eine Toleranz von -10 % berücksichtigen, was einer Spannung von 207 VAC entspricht.

Wir kommen zu Teilbild 5.2 mit dem Test mit sauberer DC-Spannung, also DC-Spannung (fast) ohne Rippelspannung. Da stellt man fest, dass sich bereits bei 115VDC der korrekte Strom von 3.2 mA einstellt. Genau darauf kommt es an, weil der Effektivstrom durch die Spule, multipliziert mit der Windungszahl, macht die effektive magnetische Feldstärke, bzw. die Anzugskraft auf den Relaisanker, aus.

RMS-Ströme oder RMS-Spannungen zu messen ist aber nicht einfach, ausser man hat ein dazu geeignetes Messinstrument. Allerdings ist das unkritisch für die Messung in Teilbild 5.1 mit sinusförmiger AC-Spannung und Teilbild 5.2 mit reiner DC-Spannung. Das Experiment zeigt, dass bereits bei einer Spannung von 45 VDC der Relaisanker anzieht. Würde man das Relais bei 230 VDC betreiben wäre die Spule deutlich überlastet. Woher kommt das? Ganz einfach, strombegrenzend wirkt alleine der ohmsche Widerstand der Relaisspule. Eine Selbstinduktion gibt es bei DC-Strom nicht. 230 VDC am Spulenwiderstand von 32.5 k-Ohm ergibt eine Leistung von 1.6 W bei einem Strom von 7 mA.

Noch immer Teilbild 5.2: Wie erzeugt man eine variable saubere DC-Spannung für dieses Experiment, wenn man kein geeignetes Netzgerät mit so hoher variabler DC-Spannung zur Verfügung hat? Man benützt die Brückengleichrichterschaltung aus Teilbild 5.3 und schaltet parallel zur Relaisspule einen Elko mit genügend hoher Kapazität (und genügend hoher Nennspannung!), dass sich praktisch eine saubere DC-Spannung ergibt. Eine Rippelspannung von einigen Vpp spielt dabei keine Rolle. Eine Kapazität von etwa 10 µF ist richtig und eine Nennspannung von 250 VDC reichen aus. Fehlt in der Bastelkiste ein solcher Elko, kann man sich leicht durch Serieschaltung von mehreren Elkos mit niedrigeren Nennspannungen aushelfen, wobei alle Elkos die gleichen, entsprechend der Anzahl von Elko, höheren Kapazitätswerte haben müssen. Gemessen wird die DC-Spannung an der Relaisspule. Als variable AC-Spannungsquelle dient der Variac mit vorgeschaltetem Trenntrafo zur eigenen Sicherheit.

Teilbild 5.3 zeigt im Prinzip das selbe Experiment noch einmal, aber diesmal erhält die Relaisspule die vollweggleichgerichtete DC-Spannung ohne Glättung mittels Elko und wir messen dabei die AC-Spannung am Eingang des Brückengleichrichters. Interessant dabei ist, dass sich bei 115 VAC der selbe Nennstrom von etwa 3.2 mA einstellt, wie bei der geglätteten DC-Spannung von 115 VDC. Der effektive Wert einer vollweggleichgerichteten DC-Spannung ist natürlich genau so gross wie der effektive Wert der AC-Spannung vor dem Vollweggleichrichter (Brückengleichrichter), wenn man von der Verlustspannung der Gleichrichterdioden absieht. Dies ist bei dieser hohen Spannung realistisch zulässig. Dass sich der Nennstrom von 3.2 mA bei der geglätteten und ungeglätteten DC-Spannung einstellt, wird damit zu tun haben, dass bei der ungeglätteten DC-Spannung weitgehend die Kurzschlusswindung im Spaltpol die Glättungswirkung übernimmt. Bei der reinen DC-Spannung hat die Kurzschlusswindung keine Wirkung. Bei der minimalen Anzugsspannung weichen die Werte ab, weil diese in Teilbild 5.3 mit 75 VAC höher ist als die 45 VDC in Teilbild 5.2.

Teilbild 5.4 zeigt das Experiment mit einer Einweggleichrichtung. Dabei ist interessant, dass bei einer effektiven AC-Spannung von 230 VAC sich fast der selbe Nennstrom einstellt wie bei der AC-Anwendung in Teilbild 5.1. Interessant, weil anstelle von zwei Halbwellen pro Periode nur eine Halbwelle wirkt. Die Erklärung dafür ist, dass der induktive Anteil bei einer pulsierenden Einweggleichspannung niedriger ist als bei der AC-Spannung, bei der die Polarität bei jedem Amplitudennulldurchgang wechselt. Ebenfalls ist die minimale Anzugsspannung von Teilbild 5.4 im Vergleich zu Teilbild 5.1 in beiden Experimenten fast gleich gross.

Facit: Es ist nicht zwingend, dass man für diesen empirische Test jeweils exakt den effektiven RMS-Strom misst. Es genügt auch eine Annäherung mittels handelsüblichem Multimeter, weil so genau muss der Messwert gar nicht sein. Die Schaltung ist dann funktionstauglich, wenn das Verhältnis zwischen minimaler Anzugsspannung und Spulennennspannung etwa in dem Rahmen liegt liegt, wie dies die Schaltungen in Bild 5 zeigen.

Jetzt noch vollständigkeitshalber das Thema Kurzschlussring. Was für den AC-Schaltschütz gilt, gilt ebenso für das AC-Relais. Man lese dazu im Wikipedia zum Thema Schütz (Schalter). das Kapitel "Wechselspannungs- und Gleichspannungsschütz". Um einen Eindruck zu bekommen, wie bei einem Schaltschützen ein solcher Kurzschlussring aussieht, das Bild eines Zugmagneten, ebenfalls aus dem Wikipedia. Die Abmessung des Kurzschlussrings aus Kupfer ist bei einem Relais, erst recht bei einem DIL-Relais, natürlich deutlich kleiner.

Dieses Experiment wurde mit dem in Bild 6 genannten AC-Relais von SCHRACK durchgeführt. Da es dieses AC-Relais nicht mehr gibt und an Stelle dessen ein gleichwertiges von FINDER empfohlen wird mit den selben Eckdaten, kann es trotzdem sein, dass beim Experiment gemäss Bild 5, in gewissen Grenzen, abweichende Werte zu erwarten sind.

Wie in Bild 6 zu erkennen ist, wird dieses 230VAC-Relais von SCHRACK nicht mehr hergestellt. Alternatives mit den selben Spulenwerten gibt es von FINDER. Man lese dazu das Datenblatt FINDER-Leiterplatten-Relais. Es gibt diese Relais auch mit einer Spulenspannung von 230 VAC ebenfalls mit einer Spulenleistung 0.75 VA, entprechend einem AC-Strom von 3.2 mA. Den Distributor muss man selbst evaluieren. Mit dieser Alternative ändert sich nichts am ursprünglichen Inhalt zu den Schaltungen.

Mit Bild 6 fokussieren wir noch einmal Teilbild 5.4 das als Teilbild 6.1 wiedergegeben und in Teilbild 6.2 etwas in Richtung Anwendung geht. Wenn die Relaisspule ausgeschaltet wird, z.B. mit einem bipolaren Transistor oder, wie hier gezeigt, mit einem MOSFET, entsteht durch den raschen Abbau des Magnetfeldes der Spule eine hohe Selbstinduktionsspannung in Form eines Impulses, die einen elektronischen Schalter leicht zerstören kann. Weil dieses Relais allerdings eine Kurzschlusswindung besitzt, die gerade diese Induktionsspannung zu einem gewissen Teil in einen Induktionstrom umsetzt, hält sich die restliche Induktionsspannung möglicherweise in Grenzen. Um sicher zu sein, lohnt es sich aber trotzdem die Freilaufdiode D2 einzusetzen. Da D2 zusätzlich einen Induktionsstrom beim Abschaltvorgang ermöglicht, erhöht dies zusätzlich leicht den Stromeffektivwert der Spule in der Ausschaltphase und dadurch die magnetische Kraft des Kerns. Wie stark oder wie wenig die Diode dazu beiträgt, kann man leicht testen, wenn man mit der Betriebsspannung in den Bereich hinunterfährt, wo der Anker abfällt.

Noch etwas ist neu in Teilbild 6.2. In Serie zur Relaisspule ist eine LED eingefügt. Diese leuchtet wenn das Relais eingeschaltet ist, wie in Bild 3. Auch hier gilt, bei einem Strom von nur 3.2 mA ist es nötig eine sogenannte Lowcurrent-LED einzusetzen, damit sie hell genug leuchtet. Die LED ist im Stromkreis mit der Freilaufdiode D2 miteinbezogen. Der geringe Selbstinduktionsstrom trägt nur ganz wenig dazu bei, dass die LED etwas weniger flackert. Das Flackern bemerkt man aber sowieso nur, wenn man die LED seitlich betrachtet, denn 50 Hz sind noch nicht so kritisch. Bei einer Vollweggleichrichtung "blinkt" die LED mit 100 Hz (nicht mit 50 Hz) und dies bemerkt man überhaupt nicht.

Die MOSFET-Anwendung: Da jeder FET spannungsgesteuert und sein Eingangswiderstand extrem hochohmig ist, benötigt es logischerweise keinen Widerstand vor dem Gate. Darum ist auch kein solcher Widerstand gezeichnet. Trotzdem empfiehlt sich ein Widerstand, wenn man ganz sicher sein will, dass beim Umschaltvorgang keine Oszillation auftreten kann. Die hochfrequente Oszillation kann als Folge von parasitär wirkenden Kapazitäten und (Leiterbahn-)Induktivitäten auftreten. Ein solcher Vorwiderstand hat meist einen Wert von wenigen zehn oder etwa 100 Ohm direkt auf den Gate-Anschluss folgend. Bei sehr schnellen Schaltanwendungen wird anstelle eines Widerstandes manchmal auch eine kleine Drossel mit einer sehr niedrigen Induktivitäten eingesetzt. In Bild 7 sind solche Gate-Vorwiderstände eingesetzt.

Teilbild 7.1 wiederholt noch einmal Teilbild 6.2. Wenn wir Teilbild 7.2 mit Teilbild 7.1 vergleichen, erkennen wir zwei Unterschiede: Die Betriebsspannung ist mit 115 VAC (USA) nur halb so gross und die Freilaufdiode ist ersetzt durch einen Kondensator mit einer Kapazität von 470 nF und einer Nennspannung von 250 VDC. Obwohl die maximal auftretende Spannung nur 163 Vp sein kann, sollte man bei der Wahl von Kondensatoren generell grosszügig sein und die Nennspannung nicht zu knapp wählen. Das Relais ist der selbe Typ mit einer Nennspannung von 230 VAC, und trotzdem betreiben wir es mit einer Spannung von nur 115 VAC, die mit D1 einweggleichgerichtet ist. Dies funktioniert, weil der Kondensator C eine zur Kurzschlusswindung beim Relais zusätzliche wirksame Glättungsfunktion ausübt. Man ermittelt die Kapazität am besten auch hier empirisch. Es ist dabei nicht wichtig ob der Nennstrom von 3.2 mA so genau eingehalten wird. Hauptsache ist, dass die minimale Anzugsspannung des Relais vernünftig niedriger ist als die Spannung bei Nennstrom.

Bei der hier verwendeten Schaltung in Teilbild 7.2 beträgt die minimale Spannung 75 VAC wie in Teilbild 5.3, wo eine Vollweggleichrichtung mit 115 VAC arbeitet und deshalb keinen zusätzlichen Kondensator benötigt. Um es hier noch einmal zu erwähnen, eine Freilaufdiode anstelle des Kondensators reicht nicht aus. Jedenfalls bei dem hier eingesetzten AC-Relais. Bei einem andern Fabrikat mit andern Daten, muss man es testen, ob eine Freilaufdiode genügt.

Nun zur Frage, wozu es den zusätzliche Seriewiderstand Rv (Vorwiderstand vor der Relaisspule) in Teilbild 7.2 braucht. Wenn im Augenblick des Einschaltens die Netzspannung gerade einen hohen postiven Wert hat, ist kurzfristig der Drainstrom des MOSFET T sehr hoch und könnte ihn gefährden. Es ist der Strom durch den Kondensator C. Widerstand Rv, mit einem Wert von 820 Ohm, begrenzt diesen Spitzenstrom auf maximal 200 mA, wenn die postive Sinushalbwelle gerade den Scheitelwert von 163 VDCp aufweist, wobei die RC-Zeitkonstante bloss 0.4 ms beträgt. Der Widerstand der Relaisspule bleibt unberücksichtigt, weil dieser um Grössenordnungen höher ist als Rv.

Das Safe-Operating-Diagramm des BSS125 erlaubt bei einer Impulsdauer von 1 ms (Parameter) bis zur maximalen Drain-Source-Spannung von etwa 160 V (Up = 163 VDCp) ein Strom von 200 mA. Die Rv*C-Zeitkonstante beträgt aber nur 0.4 ms und dazu kommt, dass der Strom während diesen 0.4 ms nicht konstant ist, weil C durch Rv exponentiell geladen wird. Die blaue Parameterlinie ist eine Abschätzung für den Parameter von 0.4 ms. Man erkennt, dass bei einem Einschaltimpuls von 163 VDCp von 0.4 ms ein Strom von beinahe 300 mA zulässig wäre.

Tatsache ist jedoch, dass dieses SOA-Diagramm gar nicht herausgefordert wird, weil der Ein- und Ausschaltvorgang wesentlich schneller erfolgt, vorausgesetzt allerdings, dass die Schaltquelle niederohmig genug ist, wie z.B. von einem Logikgatter. So ist der Schaltvorgang um mindestens zwei Grössenordnungen schneller als der 100µs-Parameter zeigt. Also spielt das Diagramm keine Rolle, weil nur noch der maximal zulässige Dauerstrom (Drainstrom) des BSS125 von 100 mA und dessen maximale offene Drain-Source-Spannung von 600 V gilt. Angenommen die Schaltflanke ist, aus welchen Gründen auch immer, mit 100 µs relativ langsam, wäre ein Drainstrom von 200 mA bei einer Drain-Source-Spannung von 400 V noch immer zulässig.

Im Betriebszustand fliesst ein Spulenstrom von 3.2 mA. Das bedeutet über Rv mit 820 Ohm ein Spannungsabfall von 2.7 VDC. Dies ist sehr wenig im Vergleich zur Betriebsspannung. Es muss noch überlegt werden wie sich die einmalige Aufladung von C beim Einschaltvorgang auf Rv auswirkt. Im Moment des Einschaltens von T (BSS125) liegt maximal die positive Peakspannung der pulsierenden Halbwellen-DC-Spannung über Rv. Das bedeutet für den sehr kurzen Moment eine Leistung von 32 W über Rv. Diese Leistung scheint sehr hoch. Scheint, weil sie dauert extrem kurz, denn nach der 5. Zeitkonstante ist C praktisch aufgeladen und das sind nur 2 ms. Die Auflade-Zeitkonstante von C über Rv beträgt 0.4 ms. Dass dies für kein Problem bereitet, beweist eine Schaltung, die ich für eine automatische Netzspannungsumschaltung für Trafos (2) realisierte.

Teilbild 7.3: In der Testphase versuchte ich einen 1/4-Watt-Widerstand durch massives Ein- und Ausschalten zu zerstören. Es gelang mir nicht einmal mit einem Kondensator mit der beinah fünffachen Kapazität. Ich schaltete den Schalter S schnell hin und her. Auch nach einer Minute zeigte sich keine spürbare Erwärmung mit einfachem Fingertest an Rv bei ausgeschalteter Betriebsspannung. Diese 120 VDC erzeugte ich mit der Serieschaltung vier ±15VDC-Netzgeräten.

Bild 8 zeigt zwei Schaltungen mit dem selben 230-VAC-Relais, wie in Bild 7. In Teilbild 7.2 und 8.2 sind die Ladezeitkonstanten von Rv und C, bzw. R7 und C mit 0.4 ms identisch. Es gilt also hier genau der selbe Text weiter oben zur Testschaltung 7.3 beginnend mit den Worten: "In der Testphase versuchte ich...". Es bedeutet auch hier nichts anderes, dass für R7 ein 1/4-Watt-Widerstand eingesetzt werden kann.

Die Schaltung links, Teilbild 8.1, ist im 230VAC-Netz in Betrieb. Die Schaltung rechts in Teilbild 8.2 im 115VAC-Netz (USA). Anstelle eines MOSFET kann man auch zwei NPN-Transistoren in einer Kaskadenschaltung verwenden. Es ist recht schwierig bipolare Transistoren für niedrige maximale Kollektorströme im kleinen TO92-Gehäuse zu finden, wenn die offene Kollektor-Emitter-Spannung mehr als 300 VDC betragen soll, was bei einer Netzspannung von 230 VAC notwendig ist. Da eignet sich ganz besonders die Kaskadenschaltung mit zwei Transistoren. Für so wenig Kollektorstrom, wie es in den vorliegenden Relaisschaltungen bedarf, eignet sich sehr gut der MPSA42, der weit verbreitet ist. Er hat eine maximale offene Kollektor-Emitter-Spannung von 300 V und erlaubt einen maximalen Kollektorstrom von 500 mA (MPSA44 = 300mA) im geschalteten (gesättigten) Zustand.

Anstelle des MPSA42 eignet sich auch der MPSA44 von ON-Semiconductor. Es lohnt sich den MPSA44 mit einer einer offenen Kollektor-Emitter-Spannung von 400 V einzusetzen. Dies bietet zusätzlich eine etwas höhere Sicherheit gegen Überspannungen. Dazu kommt noch, dass das Datenblatt des MPSA44 mehr Information bietet, z.B mit einem Safe-Operating-Area-Diagramm (SOA). MPSA42 und MPSA44 gibt es bei Distrelec und Farnell (Februar 2019).

In Teilbild 8.1 wollen wir untersuchen wie die Transistorkaskade arbeitet. Die Spannungsaufteilung erfolgt durch den Spannungsteiler aus R1, R2 und R3, dessen Spannungshalbwert am Knoten R2/R3 an der Basis von T2 liegt. Dadurch liegt die T2-Emitter- und die T1-Kollektorspannung ebenfalls auf der halben Maximalpannung von 325 Vp bei 163 Vp, sieht man von der Basis-Emitter-Schwellenspannung von T2 ab. Die beiden offenen Kollektor-Emitter-Strecken teilen sich den Wert von 325 Vp.

Wenn die Transistorkaskade, mittels HIGH-Pegel an Ue, eingeschaltet und das Relais angezogen ist, liegt die T2-Basis praktisch auf 0 Vp, bezogen auf REF. Tatsächlich liegt diese Spannung auf weniger als 1 Vp. Diese Spannung setzt sich zusammen aus der Basis-Emitter-Schwellenspannung von T2 und der gesättigten Kollektor-Emitter-Spannung von T1. Damit liegt die volle halbwellengleichgerichtete Netzspannung von 325 Vp über R1 und R2. Es werden zwei in Serie geschalteten Widerstände verwendet, damit sich die hohe Spannung auf zwei Widerstände etwa gleichmässig verteilt. Sinn ist der, dass man kleine 1/4-Watt-Widerstände einsetzen kann, denn für nur einen Widerstand ist eine Spannung von 325 Vp zu hoch.

Man bedenke, sind allfällige Überspannungen noch höher (ländliche Regionen), muss man im Netzspannungsbereich mit Zinkoxyd-Varistoren und sogar mit weiteren Massnahmen begrenzen. Die Betriebs-Verlustleistung ist sehr niedrig, sie beträgt für R1 oder R2 weniger als 50 mW. Im eingeschalteten Zustand ist T2 ebenfalls im gesättigten Zustand. Dies bedeutet, dass die T2-Kollektorspannung gegen REF nur wenige 100 mV beträgt.

Die Schaltung von Teilbild 8.2 arbeitet wie die Schaltung in Teilbild 7.2 mit 115 VAC, jedoch mit den bipolaren Transistoren MPSA42 oder MPSA44. Diese Schaltung kann man in diesem Elektronik-Minikurs (3) anstelle der selben mit MOSFETs einsetzen. Es beginnt mit dem Kapitel "Die Schaltung". Dort ist das Relais in Aktion, wenn die Schaltung z.B.in den USA mit 115VAC im Einsatz ist.

Für beide Schaltungen in den Teilbilder 8.1 und 8.2 gilt: R5 richtet sich nach der HIGH-Pegel-Eingangsspannung und dem T1-Basisstrom von etwa 0.2 mA. Kann die LOW-Pegelspannung von weniger als 0.5 V nicht garantiert werden, muss mit einem zusätzlichen Widerstand R6 zwischen T1-Basis und REF (T1-Emitter), ein Spannungsteiler aus R5 und R6 erzeugt werden. Der Querstrom durch diese beiden Widerstände sollte dann etwa drei Mal so hoch sein, wie der T1-Basisstrom, - also etwa 0.6 mA oder ebenso gleich 1 mA. C1 ist an dieser Stelle bloss angedeutet. Wozu es C1 in Verbindung mit R5 und noch einen weiteren Widerstand an der Basis von T1 benötigt, erfährt man im folgenden Kapitel "Überspannung trotz Transistorkaskade".


Überspannung trotz Transistorkaskade?

Ja das ist durchaus möglich, wie ich in einer Diskussion im ELKO-Forum mal gelesen habe. Es wurde darauf hingewiesen, dass einzelne Transistoren in einer Kaskade leicht unterschiedlich schnell reagieren und deshalb bei hoher Flankensteilheit der eingangsseitigen Schaltspannung, kurzzeitig eine zu hohe Spannung zwischen Kollektor und Emitter auftreten. Dies habe ich mit einer kleinen Versuchsschaltung geprüft. Ich benutzte für dieses Experiment die selben Hochvolttransistoren des Typs MPSA42, jedoch nur eine Betriebsspannung von 24 VDC. Es zeigte sich bei einer Spannungsvariation von +Ub zwischen 10 VDC und 30 VDC, dass sich an den Signalverhältnissen nichts Signifikantes ändert. Den Effekt den ich zeigen will, ist der selbe. Wir kommen damit zu Bild 9:

Teilbild 9.1 zeigt die Testschaltung. An +Ub wird die Betriebsspannung von +24 VDC angeschlossen. R3 ist so gewählt, dass der Strom durch R3 mit etwa 3.5 mA gleich gross ist, wie der Spulenstrom beim Relais in Teilbild 8.1. Entsprechend sind R4 und R5 auf das 1/2-Spannungsverhältnis mit dem etwa selben Querstrom Iq angepasst. An Ue liegt das zeitsymmetrische Rechtecksignal von einem Taktgenerators mit einer Ausgangsspannung von 5 Vp oder es darf auch eine typische TTL-Spannung sein. Die Frequenz liegt im unteren kHz-Bereich.

Das erste Experiment mit Teilbild 9.2 zeigt das Diagramm ohne den Einsatz von C1. Die volle Flankensteilheit der Rechteckspannung an Ue erreicht über R1 und R2 die Basis von T1. Kurz vor der ansteigenden Flanke der Spannung Ue sind die beiden Kollektor-Emitterspannungen Uce1 und Uce2 gleich gross. Uce1 und Uce2 liegen je auf der etwa halben Betriebsspannung +Ub/2. Der Spannungsteiler aus R4 und R5 erzeugt an der T2-Basis +Ub/2. An Ua1 liegt Ub/2-Ube(T2), also etwa 0.7 V niedriger als +Ub/2. Durch R3 fliesst kein Strom.

Mit der ansteigenden Flanke von Ue fallen gemeinsam gleich schnell die Flanken von Uce1 (Ua1) und Uce2 (Ua2-Ua1). Das ist der gemeinsame Einschaltvorgang von T1 und T2. Dies bedeutet, dass während diesem dynamischen Vorgang die Bedingung Uce1 = Uce2 ständig erfüllt bleibt. Ganz anders ist die Situation bei der fallenden Flanke von Ue, bei dem sich die beiden Transistoren T1 und T2 öffnen. Da zeigt sich in dieser Zweierkaskade, dass T1 schneller öffnet als T2. Die Spannung Uce1 (Ua1) steigt schneller als Uce2 (Ua2) und dies hat zur Folge, dass für eine kurze Zeit von etwa 0.1 ms Uce1 deutlich grösser ist als Uce2. Erst im eingeschwungenen Zustand gilt erneut Uce1 = Uce2. In diesem kurzen Moment kann T1 im Zustand der Schaltung in Teilbild 8.1 (230VAC) eine zu hohe Spannung bekommen, wenn die Betriebsspannung hoch genug dafür ist. Ein Worstcase-Grund anstelle des MPSA42 den MPSA44 zu verwenden.

Zu den Diagrammen sei noch erwähnt, die Skizze ist idealisiert dargestellt, zwecks einfacherer Beschriftung. Es ist auch nicht massstäblich korrekt. Auch die Einschaltflanken sind nicht so steil, wie es hier den Eindruck macht. Es geht hier nur darum zu zeigen wie die Überspannung von T1 im Moment des Ausschaltens zustande kommt. Die Zahlwerte stimmen. Sie entsprechen den Messungen.

Das zweite Experiment in Teilbild 9.3 zeigt das Diagramm mit dem Einsatz von C1. Die Tiefpassfilterung mit R1 und C1 reduziert die Flankensteilheit der Spannung zwischen Basis und GND von T1 unterhalb der Basis-Emitter-Schwellenspannung, bei der T1 zu leiten beginnt. Vom Moment des Basisstromes und dessen Zunahme, bleibt die Basis-Emitter-Spannung weitgehend konstant. Von da zeigt sich eine reduzierte Flankensteilheit des Basisstromes, der dafür sorgt, dass T1 betreffs seiner Geschwindigkeit nicht überfordert wird. Die Zeikonstante für die T1-Basisstromänderung ergibt sich aus dem Wert des Parallelwiderstandes von R1 und R2 mit C1. Die langsamere Änderung des T1-Kollektorstromes unterfordert ebenso T2, weil dieser sich, angepasst an T1, ebenso langsamer verhält. Ein gleichzeitig gemeinsames An- und Absteigen von Ua1 (Uce1) und Ua2 (Uce2) stelt sich ein, wenn die Zeitkonstante R1*C1 etwa 1 ms beträgt.

Dieses Experiment zeigt, dass dieser Effekt auch in den beiden Schaltungen von Bild 8 auftreten wird, wenn C1 nicht zum Einsatz kommt. R1*C1-Zeitkonstante darf aber deutlich kleiner sein, als hier im Experiment. Man muss dies mit dem Oszilloskop überprüfen.


Überspannung ohne Folgen

Diagramm 10.1 zeigt die 230-VAC-Sinusspannung am Eingang der Betriebsspannung von 230VAC (Uac), bezogen auf die Referenzspannung REF. Diagramm 10.2 zeigt die halbwellen gleichgerichtete DC-Spannung am Ausgang der Diode D1 (Udc). Ue liegt an einer Spannung, die dafür sorgt, dass das Relais eingeschaltet ist. Mit 5 VDC oder TTL-High-Pegel ist dies sicher der Fall. Der Widerstand R4 existiert momentan noch nicht. Was beobachtet man mit einem Oszilloskopen, wenn man die Spannung zwischen der Basis von T2 und REF misst? Das zeigt das Diagramm 10.3. Die genau selbe negative Überpannung misst man direkt zwischen Basis und Emitter von T2. Im Augenblick des Unterschreitens der Sinusspannung von 0 V (REF) von Diagramm 10.1 zeigt sich eine negative Spannung bis zu -7 V beim Diagramm 10.3, die durch die Limitterwirkung der Basis-Emitter-Diode im Sperrbereich zustande kommt. In Wirklichkeit wäre diese negative Spannung wesentlich höher. Der Strom, der durch die Basis-Emitter-Diode in umgekehrter Richtung fliesst, ist aber derart niedrig, bestimmt durch das Netzwerk aus R1, R2 und R3, dass T2 unmöglich geschädigt werden kann. Trotzdem lohnt es sich R4 einzufügen, der diese -7 V drastisch reduziert, wie Diagramm 10.4 zeigt.



Linkliste

Diese Linkliste enthält drei Anwendungen bei denen mit Hochvolt-Transistoren Relais am 230-VAC-Netz, mit ebenfalls sehr niedriger Leistungsaufnahme, gesteuert werden. Link 1 enthält die Methode der Transistorkaskade mit zwei MPSA42, wie es hier beschrieben ist. Diese Methode eignet sich vor allem dann, wenn nur eine sehr niedrige Steuerspannung zur Verfügung steht. Dann muss ein bipolarer Transistor mittels Basisstrom gesteuert werden. In Link 2 und 3 kommen kleine Hochvolt-MOSFETs zum Einsatz, weil die Steuerschaltung genug Spannung zur Erzeugung der Gate/Source-Spannung liefert. Eine Kaskadenbildung ist nicht notwendig. Link 4 ergänzt den eingangsseitig erwähnten historischen Teil zur Schaltungstechnik mit Kaltkathoden-Röhren und Link 5 erklärt in einem Kapitel den sicheren Arbeitsbereich von bipolaren Transistoren. Auch ein Thema das hier relevant ist.




Thomas Schaerer, 01.02.2007 ; 23.08.2009 ; 09.03.2010 ; 16.05.2010 ; 25.06.2014 ; 12.02.2019