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JanisW(R)

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06.05.2020,
09:36
 

Elko kurzzeitig verpolt - defekt oder nicht? (Bauelemente)

Hallo zusammen,

gestern Abend, nachdem ich ca 50 Elkos in meinem alten Braun A2 ausgetauscht habe habe ich ihn in Betrieb genommen - zum Glück war es ruhig, sodass ich sofort das köchelnde Geräusch gehört habe und ausgeschaltet habe. Was ist passiert?

Tja, ganz einfach, ich habe die dicken Siebelkos am Netzteil verpolt :lookaround:
Sie hatten für ca 1-2sec negative Spannung anliegen
(ca. 42V bei 10000uF 63V Elko, und ca. 25V bei 10000uF 35V Elko)
Ärgerlich.. Das sind natürlich keine 10ct Elkos, sondern eher 5-7€ pro Stück. Hätte ich mal lieber ein paar kleinere verpolt.
Glück gehabt.. das hätte auch in die Hose gehen können, ich weiß..

nun.. meine Frage in die Runde:
1) Wie schnell verläuft so eine Degenerierung beim Verpolen? Ist der Elko bei 1-2sec schon hinüber? Falls nicht, habe ich ihm damit seine zu erwartende Lebenszeit verkürzt? Oder sollte ich mir gar nicht soviele Gedanken machen, nach dem Motto "das halten die Dinger schon aus" ?

2) Und weils noch nicht genug war: Ich dachte ich hätte alle vier Siebelkos vertauscht. Also alle raus. Alle auf den Tisch. Platinen-Beschriftung nochmal genau angucken und nächste Runde :facepalm: : ich habe nur zwei vertauscht! Aber nun sind sie auf dem Tisch vermischt, keine Chance mehr die "verpolten" von den "unverpolten" zu unterscheiden.
Oder doch? Gibt es eine (Heim)messmöglichkeit um festzustellen welche beiden den eventuellen Todesstoß bekommen haben und welche nicht? Vielleicht einfach die Kapazität messen, das dürfte ja eine Folge vom verpolen sein. (wäre allerdings auch etwas aufwändiger bei 10000uF, müsste ich mir was basteln)


Zu meinem Verstärker:
Ich habe schon neue Elkos bestellt, ich will auf keinen Fall dass mir einer mal hochgeht (riesen Sauerei) und ebenfalls soll mein Verstärker noch schön lange halten.
Die o.g. Fragen sind also eher interessehalber, um mein Bauteile-Wissen zu erweitern. Vielleicht hat sich ja einer in seiner Karriere ein paar Daumenregeln diesbezüglich erarbeitet die er teilen möchte :)

Btw, gerne anspruchsvolle Antworten, man meint es zwar nicht, aber ich bin vom Fach :waving: ;-) Aber wie das halt so ist, alles weiß man dann doch nicht.

Freue mich über eure Antworten,
viele Grüße aus Stuttgart
Janis

xy(R)

E-Mail

06.05.2020,
10:39

@ JanisW

Elko kurzzeitig verpolt - defekt oder nicht?

Die müssen nicht kaputt sein, aber man muss sie neu formieren. Dann zeigt sich auch ob sie dauerhaften Schaden genommen haben.


War der Rundumschlag denn wirklich nötig? Der Verstärker ist doch noch jung.

Hartwig(R)

06.05.2020,
10:41

@ JanisW

Elko kurzzeitig verpolt - defekt oder nicht?

Hallo,
tja, Pech.... aus kommerzieller Sicht würde ich die entsorgen. Aber ich würde einen Rettungsversuch unternehmen. Zuerst einmal ein Datenblatt der Elkos runterladen, dem sollte man etwas über den Leckstrom entnehmen können (bei Nennspannung). Dazu den Elko - diesmal richtig gepolt - über einen Vorwiderstand (angefangen bei z. B um 1 kOhm) in Reihe mit einem Amperemeter an ein Labornetzgerät legen. Dann die Spannung am Labornetzgerät langsam von 0V ausgehend erhöhen. Jetzt wird zunächst ein Ladestrom fließen, den würde ich zunächst im unteren mA-Bereich halten. Hat sich die Ausgangsspannung des Netzgerätes am Elko eingestellt (2. DMM zur Kontrolle der Elko-Spannung), dann sollte nur noch ein Leckstrom fließen. Je nach Beschädigung des Elkos kann der groß sein, sollte aber Im Laufe von Minuten deutlich zurückgehen - in die Nähe des spezifizierten Leckstromes. Dort (bei wenigen V) angekommen, kann jetzt die Spannung vorsichtig weiter erhöht werden, bis irgendwann Bei Nennspannung der spezifizierte Leckstrom erreicht ist. Das Verfahren hängt von der Größe der Elkos ab. Jede nennenswerte Erwärmung wäre gerade zu Beginn der Formierung ungünstig - daher die Leistung im Elko im Auge benhalten, ich würde die vorsichsthalber unter 1W halten, aber das wird vom Elko abhängen, ist ein Schätzwert meinerseits. Wenn Du den Leckstrom bei Nennspannung erreicht hast, würde ich den Elko so noch einige Stunden unter Spannung lassen, evtl. geht der Leckstrom weiter zurück. ist das nicht der Fall bzw. der Nenn-Leckstrom ist nicht zu erreichen, würde ich den Elko allenfalls noch für Experimente benutzen (bei Erwärmung wird es in den Dingern ja ziemlich eng, auch eine geöffnete Druck-Sollbruchstelle macht noch genug Sauerei).
Grüße
Hartwig

Wolfgang Horejsi(R)

06.05.2020,
10:45

@ JanisW

Elko kurzzeitig verpolt - defekt oder nicht?

» Hallo zusammen,
»
» gestern Abend, nachdem ich ca 50 Elkos in meinem alten Braun A2
» ausgetauscht habe habe ich ihn in Betrieb genommen - zum Glück war es
» ruhig, sodass ich sofort das köchelnde Geräusch gehört habe und
» ausgeschaltet habe. Was ist passiert?
»
» Tja, ganz einfach, ich habe die dicken Siebelkos am Netzteil verpolt
» :lookaround:
» Sie hatten für ca 1-2sec negative Spannung anliegen
» (ca. 42V bei 10000uF 63V Elko, und ca. 25V bei 10000uF 35V Elko)
» Ärgerlich.. Das sind natürlich keine 10ct Elkos, sondern eher 5-7€ pro
» Stück. Hätte ich mal lieber ein paar kleinere verpolt.
» Glück gehabt.. das hätte auch in die Hose gehen können, ich weiß..
»
» nun.. meine Frage in die Runde:
» 1) Wie schnell verläuft so eine Degenerierung beim Verpolen? Ist der Elko
» bei 1-2sec schon hinüber? Falls nicht, habe ich ihm damit seine zu
» erwartende Lebenszeit verkürzt? Oder sollte ich mir gar nicht soviele
» Gedanken machen, nach dem Motto "das halten die Dinger schon aus" ?

Vorsichtshalber würde ich den Ruhestrom messen, wenn der in Ordnung ist, würde ich sie weiter verwenden.
Um die Kapazität zu mesen, kann man den Elko aufladen und über einen Widerstand entladen. Während der Entladung zur Ermittlung von tau Stoppuhr und Voltmeter nutzen und anschließend die Kapazität berechnen.

Mikee

06.05.2020,
11:02

@ JanisW

Elko kurzzeitig verpolt - defekt oder nicht?

Hallo!

» ca. 42V bei 10000uF 63V Elko, und ca. 25V bei 10000uF 35V Elko

Ich würde die Elkos mit jeweils einem Vorwiderstand pro Elko in der richtigen
Polarität laden.
Als Größenordnung erscheint mir 10 kOhm als sinnvoll, dann ist Tau = R*C
= 100 Sekunden, d.h. der Elko ist nach 500 Sekunden (rund 8 Minuten) voll.
Oder eben auch nicht, wenn der Reststrom hoch sein sollte. Mit einem
Multimeter mit Innenwiderstand von 10 MOhm gemessen verfälscht dieses
die Elkospannung auch nicht. Bei 1mA Reststrom fallen bereits 10V über
dem Widerstand ab, Du siehst also ganz schnell, ob was im Argen liegt.

So würde ich ihn mit 20% Nennspannung für eine Stunden laufen lassen.
Wird annähernd die eingespeiste Spannung erreicht, würde ich die Spannung
auf 40%, dann 60% und so weiter pro Stunde erhöhen. Frühestens nach 4 Stunden
hast du dann Nennspannung erreicht.
Der Reststrom sollte sich zwischen den zwei guten und den zwei verpolten
nicht groß unterscheiden. Tut er es doch, dann würde ich die beiden mit dem
hohen Reststrom der Wiederverwertung zuführen.

Ist dieser Test bestanden, müsstest Du noch einen ESR-Test machen.
Erst danach würde ich ihn wieder verwenden.

Mikee

JanisW(R)

E-Mail

07.05.2020,
19:34

@ xy

Elko kurzzeitig verpolt - defekt oder nicht?

Hallo xy, danke für die Antwort

» Die müssen nicht kaputt sein, aber man muss sie neu formieren. Dann zeigt
» sich auch ob sie dauerhaften Schaden genommen haben.
Gut dann werde ich das mal in Angriff nehmen, deckt sich ja mit den anderen Antworten :)

» War der Rundumschlag denn wirklich nötig? Der Verstärker ist doch noch
» jung.
Du hast schon Recht, der Verstärker hat elektronisch noch einwandfrei funktiniert, aus dem Gesichtspunkt bräuchte er keine Revision. Jedoch neben den Standard-Alterserscheiungen wie: Dreckige Schalter, Relais, Potis reinigen, ein paar neue Spannungsregler etc..., sind schon ein paar Elkos offensichtlich nahe dem Tod gewesen. Die Kiste wird ganz schön warm, nach 30Jahren ist da dann schon mal die Luft raus (oder genauer das Elektrolyt). Die besagten vier dicken Siebelkos waren schon stark gewölbt und zeigen Reste von angetrocknetem Elektrolyt, und ein paar wenige kleinere Elkos sind auch unförmig. Interessanterweise auch mal eingebeult. Ich erkläre mir das mit verlieren von Elektrolyt im warmen Zustand und dann Unterdruck beim Abkühlen. Gibt aber keine Faustregel, manche sind noch wie neu.

Naja, viele Worte, eigentlich will ich nur sagen: ich hab einfach alle Elkos getauscht, sodass ich die nächsten 20Jahre hoffentlich nicht mehr dran muss :)

JanisW(R)

E-Mail

07.05.2020,
19:53

@ Mikee

Elko kurzzeitig verpolt - defekt oder nicht?

Hallo,
Freut mich dass so viel Resonanz kommt, danke dafür, auch an Wolfgang und Hartwig! Ich antworte hier nur einmal stellvertretend für die anderen Nachrichten, sie decken sich ja weitgehend.

» So würde ich ihn mit 20% Nennspannung für eine Stunden laufen lassen.
» Wird annähernd die eingespeiste Spannung erreicht, würde ich die Spannung
» auf 40%, dann 60% und so weiter pro Stunde erhöhen. Frühestens nach 4
» Stunden hast du dann Nennspannung erreicht.
Guter Tipp den Leckstrom nachzuvollziehen. Auf kleine Leistung werde ich achten, 1W sollte passen, die Elkos sind mit 30x50mm schon ganz schön groß. Da wird sich das Watt schon verteilen.
Der erhöhte Leckstrom zu Beginn (also nachdem der Ladestrom zur Ruhe gekommen ist versteht sich) ist also quasi mit dem Prozess der Neuformierung gleichzusetzen, richtig?

Ich werde das heute mal mit einem Kondensator testen, am Wochenende dann der Rest. Ich melde mich mit Ergebnissen :-)

» Der Reststrom sollte sich zwischen den zwei guten und den zwei verpolten
» nicht groß unterscheiden. Tut er es doch, dann würde ich die beiden mit
» dem hohen Reststrom der Wiederverwertung zuführen.
Das werde ich auch untersuchen, vielleicht bin ich in der Lage die zwei Paare zu unterscheiden. Bin gespannt!


» Um die Kapazität zu mesen, kann man den Elko aufladen und über einen Widerstand entladen.
Hmm, hätte jetzt intuitiv die Genauigkeit in Frage gestellt. Gut, ich würde es definitv schaffen zwischen 5000uF und 10000uF zu unterscheiden, aber wenn ich jetzt 10000 und 9000 unterscheiden möchte wird es schwiriger. Desto schneller ich entlade desto genauer, da höheres deltaV bei selber Zeit und damit weniger Fehler durch Selbstentladung. Muss halt gucken dass ich mich dann nicht am Widerstand verbrenne ;) Ich werde es mal probieren - auch am Wochenende.

Also danke nochmals und viele Grüße
Janis